Die Sonne lacht
Die Sonne lacht sich hämisch ins Fäustchen. Sie amüsiert sich auf ihrem Thron unter dem weißen Baldachin über diese Erdlinge, die sich immer wieder für viel Geld in Flugzeuge setzen würden, um sich von ihr auf einem kahlen, ausgetrockneten Stück Wüstensand braten zu lassen. Dabei dürfte ihnen doch mittlerweile hinreichend bekannt sein, wie schlecht ihnen diese Bescheinung tut. Denn diese Sonne bringe ihnen mittlerweile nicht etwa das Leben, sondern den Tod. Dennoch schade das ihrem Image keineswegs. Die Sonne grinst: Sie gelte eben stets als die Gute, als die Lebensspendende.
Im ersten Teil von Elfriede Jelineks Stück "Sonne/Luft" räsoniert die mächtige Sonne (Barbara Nüsse) in einem langen Monolog über ihre Macht. Zu Beginn für wenige Minuten noch unterstützt von ihren beiden Assistentinnen Eos (Lisa Hagmeister), Göttin der Morgenröte, und Mondgöttin Selene (Lisa-Maria Sommerfeld), dann für den Rest ihres Auftritts als Soloperformerin. Denn sie ist eine Alleinherrscherin. Neben ihr würde es höchstens noch Gott geben. Sie sei, wie er, immer anwesend, auch wenn sie nicht zu sehen sei. Sie werde über das Schicksal der Menschen auf der Erde bestimmen. In ihrer Macht läge deren Wohl und Wehe. Einsam thront sie dabei auf der ansonsten wüsten leeren Bühne, die mit schwarzer Plastikfolie ausgekleidet ist. Ein paar Mal klettert sie auf ihren Leiterthron und wieder herunter. Ansonsten passiert wenig. Und auch dieser Text von Jelinek ist weniger sprachlich spritzig, innovativ und mitreißend, als man das von ihr gewohnt ist. So lauscht man der tollen Barbara Nüsse bei ihrem langsam dahinplätschernden Spottgesang auf die sich selbst ausrottende Menschheit.
Im zweiten Teil ist wesentlich mehr los. Der Text ist dialogischer und Regisseurin Charlotte Sprenger fährt einiges auf, um auch optisch was zu bieten. Als sportliches Trio rauschen drei Rennradfahrer (Tilo Werner, Tim Porath, Philipp Plessmann) mit ihren sportlichen Rädern auf die Bühne und drehen ihre Runden, bis ihnen die Puste ausgeht. Um Luft ringend machen sie sich Gedanken um das schwindende Gut der frischen Atemluft. Sie kämpfen mit Atemnot, mit verpesteter Luft, mit zu wenig Sauerstoff und mit der Ignoranz der Menschen. Die Luft wird immer knapper, doch die Menschheit beutet die Erde zu ihrem schnellen Vorteil weiter schamlos aus und dezimiert damit gleichzeitig die eigenen Lebensgrundlagen.
Zwischendurch kommen die drei Sonnen, nun als Blütenkelche in rosa Wallekleidern mit Blütenstempelmasken vor den Augen, herein und vollführen kleine Tänzchen und machen Anmerkungen zum drohenden Untergang. In der letzten Szene werden sie durch eine flotte Eisbärenbande abgelöst. Denn die mächtige Sonne hat auch deren Lebensgrundlage schmelzen lassen. Doch damit nicht genug. Sie haben zudem ihre weiße Farbe verloren. Mittlerweile hätten sie so viel Plastik gefuttert, dass sie "bunt wie Smarties" geworden seien. Folglich ist auch das Pelzkleid der Fünferkombo jetzt pink, türkis, lila, gelb und orange. Schön wenn diese Eisbären dann auch noch Musik machen und zusammen mit dem Ensemble so passende Lieder wie "Like Ice In The Sunshine", "Walking On Sunshine", "The Sun Ain't Gonna Shine Anymore" und "The air that I breathe" performen können.
Der letzte Auftritt gehört der Seherin (Victoria Trauttmansdorff), die die Bühne nur mit einem Strahlenschutzanzug bewehrt zu betreten wagt, unter dem dann aber ein schillernder Abendanzug hervorkommt. Mit der Hilfe der Eisbärenband steigert sich ihre wütende Suada zu einem rotzigen, auf begehrenden, fulminanten Punksong mit dem Titel "Wir müssen sterben / Da waren so viele".
Auch wenn Sprenger im zweiten Teil viel an Dekoration auffährt, drängt sich der Eindruck auf, dass dieser Überfluss eigentlich nur kaschieren soll, dass ihr die große Klammer und der inhaltliche Zugriff für den Text sehr schwergefallen ist. Vielleicht liegt es daran, dass auch Jelinek beim Schreiben ihre spielerische Leichtigkeit, die ihr sonst eine ironische Distanz ermöglichte, abhanden gekommen ist. Manche Themen sind anscheinend selbst für diese Sprachvirtuosin zu ernst.
Birgit Schmalmack vom 29.11.23