Zusammenstehen gegen rechts?

In diesem Gasthaus scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Der Spielautomat daddelt, die Sparvereinskasten hängt an der Wand, der Zapfhahn schimmert in Messing, das Gestühl ist aus gedrechseltem Holz. Der SPD-Ortsverein bereitet sich stimmungsmäßig auf seine alljährlich stattfindende Italienische Nacht vor. Interessanter als die Rufe von draußen ist für den Stadtrat Ammetsberger sein Blatt beim Kartenspiel. Bloß keine Aufregung! Wenn wir den Blick starr auf den Eichentisch senken, werden alle störenden Nebengeräusche vielleicht von alleine verschwinden, so hofft er wohl. Dass sieht Martin, der junge Arbeiter in seiner schwarzen Lederjacke völlig anders. Er schart schon seine Mannen um sich, um sich auf den bewaffneten Widerstand vorzubereiten. Die Sprechchöre, die von außen in die Gasthofstube schallen, scheinen ihm recht zu geben. „Hier marschiert der nationale Widerstand“ ist zu hören und eine Reichskriegsflagge flattert vor den Fenstern vorbei.
Die Gefahr von außen spaltet den Ortsverein beim Angriff von rechts. Die Thematik erscheint höchst aktuell, doch das Stück, das Thomas Ostermeier an der Schaubühne inszenierte und jetzt bei den Lessingtagen im Thalia zu sehen war, ist aber von 1930. Ödön von Horváth schrieb es, um auf die faschistische Gefahr durch die Nationalsozialisten aufmerksam zu machen. Er siedelt sein Stück in der bayerischen Provinz an, wo die Welt eigentlich noch in Ordnung sein könnte. Ihm geht es weniger um die Ausbreitung des rechten Gedankenguts auf dem Land sondern vielmehr um die Verkennung der Gefahr und der Uneinigkeit der möglich Gegenkräfte, die durchaus vorhanden sind. Die "erotischen Triebe" sorgen für zusätzlich Schwächung. Der SPD-Kamerad Karl kann sich zum Beispiel nicht auf seine politische Mission konzentrieren, weil er gleichzeitig stets nach einer Frau Ausschau hält, mit er anbändeln kann. Martin will seine erotische Anziehungskraft dagegen ganz anders ausschlachten: Er schickt seine Freundin Anna auf den "politischen Strich": Sie soll einen der Faschisten (Laurenz Laufenberg) ausspionieren, indem sie sich an ihn heranmacht. Doch auch er hat anscheinend Gefühle. Nach ihrer braven Ausführung des Auftrags fühlt er sich von ihr hintergangen und betrogen.
Mit nur wenigen Veränderungen hat Regisseur Ostermeier das Stück von Horvath aus dem Jahre 1930 aktualisiert. Die poetische, artifizielle Sprache des Autors hat er dafür (leider) auf heutige Umgangsformen abgeschliffen. Einzig die Rollenzuschreibungen für die Männer und Frauen fallen auf.. Die Frauen sind weniger handelnde Personen als vielmehr Randobjekte und. Befehlsempfängerinnen. Ammetsberger behandelt seine Ehefrau wie einen Gegenstand, Michael benutzt seine Freundin als Verschiebemasse und Karls Tanzpartnerin ist politisch völlig desinteressiert. Ansonsten benötigt die Bühne nur eine Drehung und die Szenerie hat sich völlig verändert. Statt des Keyboard-Trios steht eine Rechtsrock-Band auf dem Podest in der Gaststube. Statt italienischer Schmuse-Schlager ertönt neonazistischer Black-Metal. So nah ist die Gefahr, auch wenn sich die bürgerliche Welt noch in Sicherheit wiegen will. Der Junge mit dem adretten Seitenscheitel, der eben noch mit Michael Freundin geflirtet hat, grölt jetzt auf der Bühne seine Parolen, inklusive Reckung des rechten Armes. Ein eindrucksvolles Gastspiel im Rahmen des Lessingtage.
Birgit Schmalmack vom 12.2.19




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Your Love is fire, Thalia
Furor, Thalia