Hamletmaschine, MGT
Die tanzenden Todesclowns
Wie lebt man als Überlebender, dem das Grab verwehrt bleibt? Wie wird man mit dem Stachel des Schmerzes in seinen Gedanken fertig? Wie soll man diesen Horror verarbeiten, der in Dauerschleife im Kopf abgespult wird? Man streift sich eine Clownsmaske und ein buntes Kostüm über und fängt an zu tanzen.
In Sebastian Nüblings Bearbeitung der "Hamletmaschine" mit dem Exil Ensemble des Maxim Gorki Theaters ist aus Müllers "zweiten Clown im Kommunistischen Frühling" "der dritte Clown im Arabischen Frühling" geworden. Der Text von Heiner Müller dient als Folie für die Ereignisse, die die Mitglieder des Exil Ensembles, denen die Rückkehr in ihre Heimatländer verwehrt wurde, geprägt haben. Sie flüchten sich in Gelächter, während sie Rollstuhl fahren, mit dem Bügeleisen die eigenen Gliedmaßen plätten, mit dem Vorschlaghammer Kreise ziehen oder den anderen hinterrücks den Hals umdrehen. Sie eigenen sich probeweise die Texte über Hamlet, Ophelia und Elektra an, um sie gleich darauf in Frage zu stellen, neu zu deuten, sich von ihm zu distanzieren und ihre eigenen dagegen zu stellen.
Ihre Erinnerungen sind Wunden, die sie nicht ruhen lassen. Jeder zuckt für sich alleine in Dauerekstase zu lauter Musik, denn der Schmerz erlaubt ihnen kein Ausruhen. So wie Hamlet über seinen Schmerz wahnsinnig wird, so werden sie zu irren Horrorclowns.
Der Heiner Müller-Text läuft während des Spiels auf Arabisch, Deutsch und Englisch permanent in großen Lettern mit. So wird Übersetzungsarbeit zu einem wichtigen Teil der Inszenierung. Es gelingt eine Übertragung des schwer verständlichen Müller Textes, der es wagt diese Ikone in den Wahnsinn des Krieges zu übersetzen.
Klug, wie Sebastian Nübling mit dem internationalen Ensemble eine heutige Fassung des Müller-Textes entwirft, die irritiert, aufwühlt und berührt. Während die Zuschauer nach dem Schlussapplaus den Raum schon verlassen, tauchen plötzlich auf dem transparenten Bühnenvorhand die lächelnd winkenden Widergänger der Schauspieler auf. Ihre schmerzlichen Erinnerungen werden nach ihrem Abtreten noch nicht verblassen. Ein schaurig-schönes Bild.
Birgit Schmalmack vom 1.2.19