Tod eines Handlungsreisenden, Theaterfestival
Kampf mit den Schatten im Kopf
Willy schlurft mit eingeknicktem Knien und gebeugtem Rücken über die Bühne. . In einem viel zu großem Anzug steckt er. Sein amerikanisches Western-Hemd erinnert an bessere Zeiten, ist aber nur ein krampfhafter Versuch an den amerikanischen Traum zu erinnern. Nie hat man Ulrich Matthes so alt gesehen wie in dieser Rolle. Schon bei seinem ersten Auftritt ist klar: Sein Willy Loman ist ein gebrochener Mann.
Willy kämpft mit den Schatten in seinem Kopf. Sie werden auf das Bühnenhalbrund geworfen. Dort begegnet er den Vertretern seiner Vergangenheit, in der er vergeblich an seinen falschen Abzweigungen forscht. Dort tauchen die auf, die es geschafft haben. Er dagegen ist immer ein kleiner Handlungsreisende geblieben. Jetzt ist er aussortiert worden, weil er jüngere gibt, die besser sind als er. Die Leistungsgesellschaft, für die er immer einstand, fordert ihren Tribut. Jeder ist für sich alleine verantwortlich, auch für sein Scheitern.
Dabei sind aus seiner Ehe mit Linda (Olivia Grigolli) zwei Söhne entstanden. Also zwei potentielle Gewinner, die er ins amerikanische Rennen geschickt hat. Besonders auf den einen, eine Sportkanone Biff (Benjamin Lillie) hat er so große Hoffnungen gesetzt. Doch Biff ist noch immer auf der Suche nach sich selbst. Der ältere Happy (Camill Jammal) ist ein kleiner Hilfsverkäufer und Frauenaufreißer am Ort geblieben. Keine Söhne, mit denen Willy sein gestauchtes Selbstbewusstsein aufrichten und vor seiner Umwelt angeben könnte. Vordergründig streitet er sich mit diesen Söhnen, doch im Grunde weiß er: Auch für ihren Misserfolg muss er sich selbst die Schuld geben. Er hat ihnen nicht die richtigen Tipps für den amerikanischen Wettbewerb mitgegeben. Auch hier hat er versagt.
So bleibt Willy Loman nur die einzige Schlussfolgerung: Tot ist er mehr wert als lebendig. Die Auszahlung der Lebensversicherung wird seinen Söhnen eventuell das Startkapital für das erträumte Erfolgsgeschäft bringen.
In der Inszenierung von Bastian Kraft am Deutschen Theater wird die Erschütterung des Handlungsreisenden Willy Loman auch deswegen so unausweichlich, weil er auf jede Dekoration im Bühnenbild (Ben Baur) verzichtet. Einzig die riesigen Schatten auf dem weißen Bühnenhalbrund bestürmen den kleinen alten Mann. Wenn man dieser Aufführung einen Vorwurf machen könnte, dann den, dass neben Ulrich Matthes alle weiteren Figuren zu Beiwerk werden. Der kleinste und mickrigste Mann in dieser weißen Arena des Wettbewerbs ist das Zentrum, um den sich alles dreht. Doch das ist nur konsequent, denn genau so hat Autor Arthur Miller das Stück angelegt. Ein würdiger Abschluss der diesjährigen Theaterfestivals!
Birgit Schmalmack vom 30.11.18