Der Bewegte Mann, Thalia

Eine Zeitreise in die Neunziger

Axel (Elias Krischke) hat eine Beziehung mit der attraktiven Doro, will aber auf keinen Fall auf jede Menge Sex verzichten. Norbert (Jan Kersjes) hat Sex, wünscht aber eigentlich nur eine Beziehung. Der eine ist hetero, der andere ist schwul. "Ich wäre gerne so wie du", wünscht sich Axel, als seine Beziehung zu Doro schon fast am Boden liegt. Doch auch Norbert geht es nicht anders, er hätte gerne etwas von dem Mut und Lebensdrang Axels, der das Großhirn gerne einmal abschaltet und sich nur seinen Trieben hingibt. In die Therapie für sexsüchtige Männer geht er nur Doro zuliebe, und das auch nur einmal. Lauter strickende Männer in grünen Parkas sind echt nicht sein Fall. Immerhin trifft er dort auf den schwulen Norbert, der sich sofort in Axel verliebt und ihm einen Schlafplatz anbietet. Da Axel gerade von Doro der Wohnung verwiesen wurde, kommt er so in den für ihn sehr zweifelhaften Genuss einer Einführung in die Schwulenszene. Die Verwicklungen sind vorprogrammiert.
Ralf Königs Comic von 1987 hat schon dreißig Jahre auf dem Buckel. Auch der Film mit Til Schweiger von 1994 ist nicht mehr ganz frisch. Jetzt bringt Regisseur Harald Weiler mit dem Buch und der Musik von Christian Gundlach und Craig Simmons den "Bewegten Mann" als Musical heraus. Seine Orientierung am Film ist nicht zu übersehen. Die ironische Distanz des Comics fehlt ihm völlig. Wo bei König die Typen mit den Knollennasen per se nie nur auf Ästhetik setzen konnten, legt das Musical im Thalia-Sommer-Theater wie der Film eher auf Äußerlichkeiten und Glitzereffekte.
Auf zwei Sofas vor den Glitzervorhängen spielen sich die Leben von Axel und Norbert parallel ab. Auf dem einen nimmt Doro mit ihren Freundinnen Platz, und auf dem anderen hängt Norbert mit seinen Mädels und später mit seiner Kompromiss-Beziehung, dem Metzger, ab.
Die Handlung wird abwechselnd in Spielszenen und in Songs verpackt. Auch die berühmte Tofu-Wurst-Szene wird originalgetreu nachgespielt.
Wie im Film lebt auch die Bühnenfassung von den besonderen Typen, die für die Rollen besetzt wurden. Elias Krischke ist (wie Til Schweiger) ein gut trainierter blonder Schönling, der schon gesprungene Liegestütze auf der Bühne vorführt, aber auch gut tanzen und singen kann. Jan Kersjes ist (wie Joachim Krol) ein Durchschnittsmann mit Bauchansatz und Lockenkranz um die Halbglatze. Jennifer Siemann ist (wie Katja Reimann) die hübsche, blond gelockte Freundin, die nicht nur eine gute Figur macht sondern auch die Songs gefühlvoll interpretieren kann. Auch an den detailreich gestalteten Nebenrollen hat der Zuschauer Spaß.
Weiler verzichtet darauf, die Komödie außer in der Hochzeitsszene zu aktualisieren; dort darf statt des eigentlichen Brautpaares ein Transenpaar vor den Altar treten. So wird sie zu einer Zeitreise, die die Klischee mit riesengroßem Spaß überzeichnet und für den Witzfaktor auskostet. Die Songs sind eingängig. Das ist gut gemachte Unterhaltung, aber ohne politischen Anspruch, was in Zeiten der Ehe für alle doch etwas enttäuscht.
Birgit Schmalmack vom 9.8.17



Zur Kritik von

Zeit-online 
Abendblatt 
NDR 



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Das achte Leben, Thalia
Professor Bernhardi, Theaterfestival