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Die 10 Gebote, Thalia |
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Bloß keine Schere im Kopf!
"Du sollst" leuchtet in Leuchtbuchstaben auf dem grauen Bühnenkasten, während das Ensemble zu Gisbert zu Knyphausens Kinderlied "Immer muss ich alles sollen" fröhlich über die Bühne jumpt. So beginnt Jette Steckel Untersuchung darüber, welche Bedeutung die 10 Gebote, die eben keine Verbote sind, heute noch haben könnten. Die Antworten fallen so different aus wie die Texte und Beiträge, die sie dafür von 15 Autoren, Musikern und Filmemachern bekam. Sie reichen von einer mäandernder Wörterflut über "BigM" und seinen Weg als Superman aus den Bergen herab von Clemens Mayer, die von Benjamin Lillies in einem Kinderpyjama heruntergeplappert wird, zu einem Opernlibretto von Dea Loher über einen plötzlich entfachten Grenzkrieg, der ein Brautpaar über Nacht entzweit. Er stellt eine Abendmahlstafel, an der die erwachsenen Kinder über die Hinterlassenschaften ihrer Großeltern und Eltern philosophieren, neben eine Szene, in der im Stile von Gisbert & George Flachwitze über Laster, die zwar keine Sünden sind, aber dennoch nicht in Weihnachtsmärkte rasen sollten, abgelassen werden. Zu welchem Gebot die Szenen zum Nachdenken anregen sollen, ist nicht immer ersichtlich, da hilft es schon, wenn es mit Kreide auf die jeweilige Bühnenkabine des sich drehenden Bühnenkastens geschrieben wird. Kurzweilig sollte der lange Abend werden. Schnell wird das Karussell der Auffassungen von den 10 Gebote angeworfen, wenn die nächste vorgeführt werden soll. Viele verschiedene Ansichten und Haltungen zu den Schrifttafeln werden so gezeigt. So wie die heutige säkulare Gesellschaft keine Haltung mehr vorschreibt, so werden hier alle möglichen vorgeführt. Jede Herangehensweise an religiösen Fragen ist dabei: Tradition, Kabarett, Banalität, Perversität, Lifestyle, Umdeutung, Moral, Gerede, Vereinahmung, Ablehnung - alles kommt vor. Der Ehebruch wird nicht mehr verboten, sondern er wird zelebriert, der Ehemann guckt seiner Frau im Text von Nino Haratischwilli sogar dabei zu. Zum Stehlen wird aufgefordert. Eine Hausbesetzung wird als politisches Mittel empfohlen. Am Feiertag wird gearbeitet. Die Selbsttötung wird als Aufgeilung ersehnt. Die Tötung des eigenen Kindes erwogen. Moses mit Highlander verglichen. Die Frage nach Ethik wird kaum gestellt. Gebote stellen Handlungsempfehlungen dar. Sie wurden von Moses als Postulate aufgeschrieben und verkündet. Ihre Berechtigung sollte nicht in Frage gestellt werden. Doch genau das macht Jette Steckel heute. Dabei wird sie selten wirklich provozierend. Sie bemüht sich den Unterhaltungsaspekt bei all der Langatmigkeit nicht zu kurz kommen zu lassen. Die Vielfalt der Gesellschaft spiegelt sie in der Vielzahl der Regiemittel. Alles ist erlaubt. Auch Gott als Zottelmonster, der zugeben muss, dass er den Menschen als maximale Sackgasse geschaffen hat, darf zum Schluss auf die Bühne treten. Da ist auf der Skala des guten Geschmacks nach unten kaum noch Platz. Man ist erleichtert, dass Steckel auf ein 12. Gebot dann endlich verzichtet hat. Vielfalt ja, Beliebigkeit nein. Ein wenig mehr Qualitätskontrolle wäre zu wünschen gewesen. Doch Meinungsfreiheit ging diesem Konzept leider über alles. Birgit Schmalmack vom 8-2-17
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