150 Jahre voller Veränderungen



Nicht erst die Gegenwart birgt die Notwendigkeit zu Zeitenwenden. Das belegt das Hafenstück von Erik Schäffler, das sein Theaterensemble Axensprung nach einer Sommeraufführungsserie im Ernst Deutsch Theater jetzt noch einmal im Galionsfigurensaal des Altonaer Museums zeigt. 150 Jahre lang werden im ihm die Veränderungen im Hamburger Hafen verfolgt. Sorgsam recherchiert bringt das wunderbar eingespielte Ensemble kurzweilig und lehrreich zugleich Hamburger Geschichte auf die Bühne. Trocken wird es hier in keinem Moment.
Denn die Hauptperson auf der Bühne ist die Seniorin und Firmeneigentümerin Tiedenbreuk (Mignon Remé), die gleich in der ersten Szene mit Hilfe des gewitzten Klaubautermanns (Erik Schäffler) glatte 90 Jahre jünger wird, ihren Rollator in die Ecke befördert und auf eine Zeitreise in ihre Jugend geschickt wird. Und das Publikum gleich mit ihr. So erleben die Zuschauer mit ihr im Zeitraffer die Geschichte der Reederei, die einst ihr Onkel und ihr Vater leiteten und die sie später selbst übernahm. Für ihre damalige Zeit sehr ungewöhnlich. Denn für ein Mädchen gab es nur einen Weg: Heiraten und Kinder bekommen. Eine Position als Unternehmerin kam dabei nicht in Frage. Doch die Zeitumständen der Weltkriege stellten so manche Regel in Frage. Wenn die Männer an der Front waren oder nicht wiederkamen, waren die Frauen gefragt. Dass Frau Tiedenbreuk sich im Zuge ihrer Verantwortung an der Spitze ihrer Reederei nicht nur zum Vorteil sondern auch eine fast unmenschliche Härte entwickelt, ist eine interessante Randnotiz. Dass sie der nächsten Generation ihrer Kinder und ihren Ansichten nicht aufgeschlossener gegenübersteht als ihre Mutter ihren eigenen, eine weitere. Erst ihrer Enkelin kann Frau Tiedenbreuk, mittlerweile wieder am Rollator, wohlwollend zuschauen und sich über deren Ideen für die Zukunft des Hafens freuen.
Doch in das gesungene Motto "Wohl der Stadt, die einen Hafen hat" können alle auf der Bühne lebhaft mit einstimmen. Auch dieses Mal wird die Geschichtestunde durch viele Songs, schnelle Rollen- und Kostümwechsel, prägnante Spielszenen und humorvolle Dialoge aufgelockert. Dieser Abend eröffnet geschichtliche Zusammenhänge und macht Spaß. Diese Kombination erweist sich einmal mehr als ein Alleinstellungsmerkmal des Axensprung Theaters in der Hamburger Theaterszene.

Birgit Schmalmack vom 5.9.22




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Gier, Museum für Hamburgische Geschichte
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