Pollesch-Revival an der Plötze?


Wie ein Todesvogel gleitet er in einem Boot mit der Fackel in der Hand über den See. Doch dann streift er seinen schwarzen Mantel ab und zum Vorschein kommt ein Jüngling in Silberkleid und er springt vom Steg in die Fluten: Jan, dessen Name aber wie eine Arie von Mozart ausgesprochen wird: "Ja, Ja, Jan-n". Er ist die Anekdote, die vor dem Prolog gegeben wird. Und er ist der Plot, der schließlich ins Wasser fallen wird. Denn eigentlich geht es hier nicht um ihm sondern um den Plötzensee bzw. um den Späti am Plötzensee. Der liegt aber mittlerweile leider unter der Wasseroberfläche, um den Plötzensee zu retten. Denn ihm drohte Gefahr. Von einem Bourgeois, der sich undercover als Clochard in die Szene eingeschlichen hatte, um sein Investitionsprojekt voranzutreiben.
Der schöne Ja,Ja, Ja-n gerät also erstmal in den Hintergrund, denn Frau Plötze, die Nixe, der Schwan, die Rettungsschwimmerin und die Tante vom Ordnungsamt übernehmen die Bühne. Eine Königin der Nacht taucht ebenfalls auf. Sie bzw. er singt betörend schön und schickt seine Arien übers Wasser. Sie alle schrauben sich am Strand der Plötze in immer weitere Spekulationen über die Bedingungen und die Bedeutung des öffentlichen Raumes am Beispiel eines schlichten Freibades in die Höhe. Das Freibad ist austauschbar in seiner sachlichen Architektur. Doch das eingezäunte Areal eines Freibades, das zur geregelten Freizeitverbringung der Arbeiter*innen geschaffen wurde, sei doch eigentlich nur die Verlängerung der Unfreiheit. Sie positionieren sich dagegen für die demokratischen Kräfte eines Spätis. Er sorge für die Bereitstellung von politisch vertretbaren Gummiwaren, nicht vorhandenen Eiern, abgegebenen Paketen, hinterlegten Schlüsseln und ausgegangenen Getränkenachschub. Er stelle damit die Grundversorgung eines Viertels sicher, Anhand der Anti-Figur des geleckten Bourgeois im Pyjama wird das hemmungslose Investieren angeprangert. Ignoranz könne da keine Haltung sein, wenn die Stadt zur Beute werde. Ein Abstecher in Richtung Stadtschloss darf nicht fehlen. Sie halten seine Wiedererrichtung für ein städtisches Denkmal des verfehlten Baupolitik. .
Als der Abend in seinem Diskursmäandern schon im Scheinwerferlicht erstrahlt, begibt man sich auf die Suche nach dem Punkt, den man setzen könnte. Wo sei eigentlich der Plot abgeblieben? Doch müsse man den retten? Lieber die Möglichkeit der Umdeutung suchen! "Der Späti der tausend Orte", wird das neue Motto. Der Späti, der als Möglichkeitsort demokratische Freiräume und neuen Space schaffe.
Im Stile eines äußerst vergnügten Pollesch-Abends wabert sich diese Inszenierung durch das Philosophieren über das Freibad im Allgemeinen und der verordneten Freizeitgestaltung in abgezäunten Räumen im Besonderen, den Späti im Allgemeinen und das Verschwinden der demokratischen Räume durch das skrupellose Weg-Investieren im Besonderen, dem Suchen der Stadtbewohner nach Space und dessen akute Limitierung im öffentlichen Raum. Das balanciert unter der Regie von Jan Koslowski gekonnt, witzig und virtuos zwischen Klamauk und Diskurs, gerät dabei herrlich selbstironisch und lohnt auf jeden Fall den Weg an den Plötzensee, um dort das neue kleine Festival "Plötze" mit seiner Mischung aus Theater, Kunst, Literatur und Film mitzuerleben. Es läuft noch bis zum Wochenende.

Birgit Schmalmack vom 4.8.20




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