Mit einem Lächeln im Gesicht
Dan Thy Nguyen steht sonst eher hinter der Bühne. Doch heute stellt er sich mitten ins Rampenlicht. Als der Regisseur immer mehr Hassmails bekam und von Freunden aufgefordert wurde, doch bitte alles nicht so eng zu sehen, sah er den Zeitpunkt gekommen, selbst auf die Bühne zu steigen und seine Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte einer vietnamesischen Familie, deren eine Hälfte ermordet wurde und deren anderer Hälfte es als Boat-People gelang außer Landes zu fliehen. Der Ablauf jeder Lecture-Performance von Nguyen ist ein anderer. Erst kurz vor ihrem Beginn wählt er die autobiographischen Bilder aus, die er heute verwenden wird. Nach knapp einer Stunde bekommt er ein Zeichen von der Technik und bricht seinen autobiogarphischen Rückblick ab. Wer mehr hören will, muss zu nächsten Performance wiederkommen. Der Sohn sehr konservativer Südvietnamesen gibt Einblicke in das Innenleben einer Flüchtlingsfamilie. "Wir waren die richtigen Flüchtlinge zu richtigen Zeit", meint er. Zu Zeiten des kalten Krieges waren die erklärten und verfolgten Anti-Kommunisten im Westen willkommen. Zwar nicht wie von den Eltern auf ihrem Fluchtboot erhofft von Amerika sondern von etlichen Patenfamilien in Deutschland. Dass der Junge nach seinem Abitur aus Richtung Hamburg zum Schauspielstudium zog, hatte nicht nur mit der abgeschotteten, konservativen Weltsicht seines Elternhauses sondern auch mit der Abgeschiedenheit des kleinen Eiffeldorfes zu tun, in dem es nur drei Freizeitalternativen gab: Saufen, Lesen und Computerspielen. Nguyen machte alles drei, manchmal sogar parallel. Da er das Glück gehabt hatte als Junge geboren zu werden, wurde sein Umzug von der Familie weg zwar stark behindert aber nicht unterbunden. Vietnamesen gelten als bestens integriert, wundert sich Nguyen. Dabei handele es nur um eine perfekt unauffällige Parallelgesellschaft, die stets mit einem Lächeln im Gesicht auftreten würde. Wenn Nguyen sich auch von vielen seiner familiären Wurzeln emanzipiert hat, hat er sich diese Fähigkeit doch bewahrt: Auch er berichtet über traurige Geschichten, über unangenehme Wahrheiten und über verdrängte Erkenntnisse mit einem humorvollen Spruch, mit einem Grinsen im Gesicht und mit zugewandter Liebenswürdigkeit. Ein spannender Abend im Rahmen des Festivals Eigenarten, der sofort Lust auf mehr macht. Fortsetzung folgt hoffentlich bald. Birgit Schmalmack vom 6.11.17
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