Der Drehtüreffekt

Semiramis, Opernloft


Fünf Bewerber:innen treten für ihr Bewerbungsverfahren ins Foyer der Firma ein. Der eine siegewiss (Lukas Anton), der andere stolpernd (Timotheus Maas), die eine provozierend (Freja Sandkamm), die andere stöckelnd (Eloïse Cénac-Morthé) die letzte abgehetzt mit Babytrage (Pauline Gonthier). Als sie sich jedoch um Eintritt ins Besprechungszimmer bemühen, werden die Unterschiede des Zugangs deutlich: Die Drehtür läuft wie geschmiert, sobald ein Mann sie bewegt und blockiert, sobald eine Frau sie anzuschieben versucht. Erst mit vereinten Kräften schaffen es die drei weiblichen Bewerberinnen sie zu überwinden.
Diese Drehtür auf der rechtwinkligen Bühne des Opernlofts wird zum eindringlichen Sinnbild während der gesamten Aufführung. Während die Männer auf ihr mit lockerem Anschwung in die Firma surfen können, wird den Frauen der Zutritt stets erschwert. Am längsten für die Frau mit Kind.
Den Gender-Gap nicht nur bezüglich der Bezahlung sondern auch hinsichtlich der Aufstiegsmöglichkeiten hat sich das Opernloft in seiner Produktion „Semiramis“ zum Thema genommen. Es ist eine sehr ungewöhnliche Inszenierung herausgekommen, Während bisher auf dieser Opernbühne mit Elbblick sonst klassische Opernmusik in neunzig Minuten zeitgemäß in Szene gesetzt wird, wird an diesem Abend die Musik als Mittel zur Unterstützung des Inhalts eingesetzt. Dazu benutzt Regisseurin Inken Rahardt barockes Liedgut von Porpora, Händel, Hasse, Monteverdi u.a., das die Dramaturgin Susan Oberacker mit informativen Texten unterlegt. Dieses Unterfangen geht auf, weil auf der Bühne fünf klar zugeschnittene Charaktere agieren, die mit emotional genau passenden Arien die szenischen Situationen lustvoll durchspielen, und zwar durchaus mit viel Spaß am Aufspießen von Klischees. Das Mansplaning am Flipchart, das als Hysterie verschriene Aufbegehren der Frauen, die Verbrüderung der Männer, die Verleugnung des Weiblichen, das überschäumende männliche Ego und das weibliche Selbstmitleid. Der Nerd unter ihnen verkommt dabei fast zu einer Karikatur. Und wie zum Hohn wird diese kommunikationsunfähige Lachnummer trotz seiner slapstickhaften Unsicherheit den wesentlich kompetenter wirkenden Frauen vorgezogen.
Nach der Pause erkennen die Fünf allmählich, wie absurd die Bewertungskriterien sind, denen sie sich hier unterwerfen sollen. Stück für Stück machen sie sich unabhängig von den Erwartungen der Firma, die sie in ein Gegeneinander drängen wollten. Sie kommen langsam zu der Erkenntnis, dass sie nur im Team und nur zusammen erfolgsreich sein werden. Als Menschen, als Firma und als Gesellschaft. Mit diesem versöhnlichen Ende schließt dieser außergewöhnlich politische Abend im Opernloft.
Birgit Schmalmack vom 5.4.22