Schuld und Sühne

Schuld und Sühne im Monsun Theater by Tobias Gloger


Grenzüberschreitung


Alle großen Anführer waren Verbrecher, denn sie brachen die bestehenden Gesetze, um Veränderungen der Gesellschaft möglich zu machen und neue Regeln zu erlassen. Diese Erkenntnis veranlasst den hyperintelligenten Jurastudenten Raskolnikow, die Menschen in gewöhnliche und ungewöhnliche Exemplare zu unterscheiden und letzteren die moralische Erlaubnis zur Begehung von Verbrechen im Namen einer Idee zu gestatten. So erlaubt er sich selbst den Mord an der geizigen Pfandleiherin, um in den Besitz ihres Geldes zu kommen und mit ihm Gutes bewirken zu können. Doch seine Tat stürzt ihn in so tiefe Selbstvorwürfe, Scham und Verzweiflung, dass er das Geld nicht anrührt. Nur die Verbindung zur unschuldigen und gläubigen Sonja, die sich für ihre Familie prostituieren muss, gibt ihm noch Halt.
Für den Untersuchungsrichter ist Raskolnikow ein interessantes Untersuchungsobjekt, das er gekonnt mit scheinbarem Interesse an philosophischen Diskussionen in die Enge treibt. Obwohl er über keinerlei Beweise verfügt, kann er sich sicher sein, dass er nur abzuwarten braucht, bis der Täter gestehen wird.
Immer wieder werden Lichtkegel auf die drei Protagonisten geworfen, um ihre Gedanken und Kommentare zu beleuchten. Der Romans von Dostojewskijs ist eine dramaturgisch geschickt fokussierte Textfassung gebracht. In kurzen Szenen werden die sich die verändernden Konstellationen zwischen den drei Hauptpersonen dialogisch erzählt. Regisseur Hans-Peter Kurr sprang versiert für die ausgeschiedenen Ludwig Richter als Untersuchungsrichter Porfiri ein und lies die ursprüngliche Besetzung nicht vermissen. Joachim Liesert changierte Raskolnikow genau zwischen Verzweiflung, Einsamkeit, Überheblichkeit, Genie und Wahnsinn. Nur die grünen Fingernägel gaben der Sonja (Katharina Herzberg von Rauch) einen Hauch Verruchtheit, die ansonsten fast eher einer Nonne als einer Hure glich. Kurr lotete die Zeitlosigkeit des Stoffes aus, folgte dramaturgisch schlüssig und schlicht der Handlung und verzichtete auf überraschende Regiemätzchen. Ein einfaches Bühnenbild mit Versatzmöbelstücken aus den Zimmern der drei Personen bildete den passenden Rahmen für das immer noch aktuelle Stück.
Birgit Schmalmack vom 18.5.12

Zur Kritik von

godot