Willi Tell – Die Axt von Altona


Wem gehört die Stadt?

Statt des Vierwaldstätter Sees, von der Stimme auf den Kopfhörern erzählt, sieht und hört man zunächst nur die Altonaer Autobahn. Ein Mann in rotweißkariertem Hemd mit einer Axt auf der Schulter geht vorbei. Wilhelm Tell?
Das freie Theaterensemble „Die Azubis“ hat sich den Schweizer Freiheitskämpfer „Wilhelm Tell“ zum Vorbild genommen und ihn in Hamburg auf die Straßen geschickt. Er kämpft hier seinen Kampf gegen die Oberen für sein Stückchen Heimat. Auf dem Gang in der kleinen Theatergruppe wird er immer wieder auftauchen, bis sie über einer Station im Deckel- Park in seinem Garten angekommen ist. Himmlische Ruhe, Vogelgezwitscher, Blütenmeere und Grün im Überfluss statt Grau und Dauerrauschen sind hier zu sehen und zu hören. Doch die Idylle ist von kurzer Dauer. Ein Stadtvertreter im Einreiher und mit Intellektuellenbrille taucht plötzlich auf und komplimentiert die Gruppe heraus. Der Garten sei Stadteigentum. Man landet im Lichthof.
Willi lädt ein in seinen Garten in Puppenformat, der Grill wird angeworfen und Willi redet sich in Rage. Der Garten soll ihm weggenommen werden, von der Stadt, die den Deckel über der Autobahn bauen will. Sie braucht dazu die Erlöse aus den Grundstücksverkäufen, auf denen auch Willis Garten liegt. Damit ist Willi gar nicht einverstanden. Christian springt auf. Er als Anwohner der Autobahn ist für den Deckel, denn er verspricht sich Ruhe, Verbindung der Stadtteile und mehr Grün. Kurzerhand rollt er den Deckel als grünen Läufer zwischen Schnelsen und Othmarschen aus. Legofiguren werden ausgekippt und das Publikum darf den Deckel begrünen, bebauen und bevölkern. Doch die Aufwertung der angrenzenden Stadtteile hat auch seine Nachteile: Die Immobilienpreise werden anstiegen, Mieter verdrängt werden, was sogleich mit einer „Reise nach Jerusalem“ nachgespielt wird. Hinter Christian zeichnen sich auf der Leinwand die schönen neuen Wohnträume ab. Nicht enden wollende Hochhäuser, die den immer gleichen Wabenbalkon in schneeweiße Höhen stapelt. Davor platziert sich der Stadtvertreter: Es gebe keine Alternative, Hamburg sei eine Stadt des Wachstums. Wohnraum müsse her.
Die Azubis lassen in „Willi Tell, die Axt von Altona“ alle Parteien zu Wort kommen, mit denen sie in den Vorarbeiten zu ihrem Stück gesprochen haben. So ist ein vielschichtiger Beitrag zur Stadtentwicklung entstanden, der zunächst durch Sinneseindrücke beim Stadtspaziergang emotional auf das Thema einstimmt und dann spielerisch zur Diskussion zwischen den Meinungsfraktionen überleitet. Wem gehört die Stadt? Wofür lohnt es zu kämpfen? Ins Wespennest dieser Fragen stoßen die Azubis zielsicher mit Altonaer Willi Tell-Adaption.
Birgit Schmalmack vom 30.6.14




Willi Tell - die Axt von Altona von den Azubis im Lichthof


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