Schädel X, Völkerkundemuseum


Die dunklen Seiten der Geschichte

„Zwei Schädel trage ich mit mir herum,“ erläutert der Vortragende Ziegenfuß (Konradin Kunze). Der eine habe eine rundliche Form und sei wahrscheinlich europäischen Ursprungs. Diesen trage er auf seinen Schultern. Der andere stand lange bei ihm im Regal, Ursprung ungewiss. Laut Familienlegende ist er ein Geschenk des Häuptling in Nambia an seinen Großvater gewesen, zum Dank dafür, dass dieser den Ureinwohnern das Christentum gebracht habe.
Doch Konradin Ziegenfuß kommen Zweifel an dieser Geschichte und er beginnt zu recherchieren. Er landet direkt im Sumpf der in Deutschland erst jetzt beginnenden Provenienzforschung.
Ziegenfuß spricht mit Vertreter Namibias, die sich für eine Rückgabe der menschlichen Überreste einsetzen. Diese schlummern nicht nur in einigen Privatregalen sondern auch in Sammlungen von Museen und Forschungseinrichtungen. Diese Schädel waren im Zuge des deutschen Völkermords an den Hereros und Namas zu Rasseforschungszwecken nach Deutschland geschickt worden. Doch die Rückgabe gestaltet sich sowohl in Realität wie auch auf der Bühne als äußerst schwierig. Da die Herkunft fast nie geklärt werden kann, bleibt häufig fraglich, an wen die Schädel zurückgegeben werden müssten. 2011 wurden die ersten 50 aus der Berliner Charite in einem feierlichen Staatsakt übergeben.
Die Wissenschaftler, die mit der Provenienzforschung beschäftigt sind, stehen stets in dem Zwiespalt, ob sie eventuell zur Klärung der Herkunft die früheren Zuschreibungen und Kategorisierungen der Rasseforschung anwenden sollen, die sie moralisch ablehnen. Da die Schädel nicht als menschliche Überreste sondern nur als Rasseforschungsobjekt angesehen wurden, fehlt in den Einrichtungen, in den sie heute noch lagern, jede Form der genaueren Herkunftsangabe.
Kunze macht das deutlich, indem in seiner Performance dem Schädel hörbar zu Leibe rückt. Dank eines Lautsprecher am Schädel wird jede Vermessung, jede Bearbeitung unangenehm hörbar. Erinnerung an Zahnarztbesuche machen sich breit.
Er nimmt den Schädel, den er auf einem schlichten Holztisch positioniert hat, auch als Projektionsfläche für die verschwommenen bleibenden Bilder, die er im Laufe seiner Recherchen, die eigentlich diejenigen des realen Herrn Ziegenfuß sind, erhält.
Die Form eines wissenschaftlichen Vortrags passte perfekt in den Saal des Völkerkundemuseum, dessen neuen Leiterin mit diesem Sparten übergreifenden, anregenden Abend das lang vernachlässigte Thema der deutschen Schuld in Namibia in den Mittelpunkt rückte.
Birgit Schmalmack vom 19.1.18




Schädel X mit Konradin Kunze von von Flinnworks


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Söhne, Lichthof
Die Welt im Rücken, Lichthof