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Der Tod heiligt das Leben |
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Es geht um das Leben und den Tod. Es geht um Gott und Teufel. Es geht um Sinn und Leere. Es geht um Liebe und Betrug. "Was bedeutet es zu wissen? Was bedeutet es zu glauben?" Also um die ganz großen Fragen des Lebens. Doch zum Schluss schraubt der Todesgeist die Glühbirne einfach aus der Bühnendecke. Vielleicht doch alles nur ein Spiel? Regisseur Viktor Bodo changiert in seiner Inszenierung von Karl Ove Knausgårds Bestseller "Der Morgenstern" am Schauspielhaus zwischen Ernst und Humor, zwischen Drama und Witz. Zahlreiche kleine und große Lebensdramen der Menschen in der norwegischen Stadt Bergen hatte man in den letzten drei Stunden verfolgt. Hatte sie in dem Wimmelbild auf der Bühne gesehen, wie sie durch die Bruchstücke ihres Lebens auf der Drehbühne gehetzt waren, immer auf der Suche nach etwas, das ihre innere Leere, Unbehaustheit und Unverbundenheit füllen konnte. Immer wieder hatten sie dabei kurz innegehalten und nach oben geschaut, wenn sich der Morgenstern wieder einmal zeigte. Ein Moment des Nachdenkens, des Philosophierens über den Sinn des Lebens, über die Beziehungslosigkeit untereinander und die verlorenen gegangene Verbindung zum Universum trat dann ein, bis der Alltag sie wieder fest im Griff hatte. Da ist die Pastorin, der ihr treusorgender Ehemann und Vater ihrer Kinder fremd geworden ist. Da ist die Krankenschwester, die ihre Nachtschichten nur mit Tabletten übersteht, während ihr Sohn sich in seinem Zimmer mit Todesgedanken einschließt und ihr Mann seinen Lebensekel mit Alkohol und schnellen Sex betäubt. Da ist der Philosoph, der den Kontakt zu seiner Tochter komplett verloren hat und sich mit Alkohol tröstet. Da ist der Kindergärtner, der, nachdem ihm ein Baby vom Wickeltisch fällt, schnell zum Date mit seiner Freundin eilt. Da ist der Pathologe, der eine Leiche öffnet, die während der OP aufwacht und nur daran denkt, den Vorfall zu vertuschen. Alle diese Figuren erleben die Schwere des Lebens und denken nur an die nächste Ablenkung, um so schnell wie möglich in den normalen Wahnsinn des alltäglichen Klein-Kleins abzutauchen. Sie versuchen das Außergewöhnliche mit dem scheinbar Normalen zu überdecken. Doch dieser Morgenstern, dieser Komet lässt sich nicht ignorieren. Er schwebt über ihnen wie eine Mahnung, die ihr kleines Lebensgewirr unbedeutend machen könnte. Regisseur Bodo scheint sich fast in einem Wirrwarr der vielfältigsten Stilmittel der Reizüberflutung auf der Bühne zu verlieren. Neben den Livespielszenen auf der Bühne gibt jeweils zwei Kameraeinspielungen und zahlreiche Projektionen von zig Handyscreens. Doch das ist selbstverständlich beabsichtigt. Genau so ist es schließlich auch im heutigen Leben. Immer das Handy parat, immer durch die Anwesenheit von kleinen oder großen Bildschirmen umgeben, jagt ein Eindruck den nächsten. Die eine Lebensüberschrift, die ein Drama so gerne kondensiert, gibt es nicht. Das Leben ist in Mikrokapitel eingeteilt, in denen die Muße zur Beschäftigung mit einzelnen Aspekten so lange fehlt, bis man sich die Fähigkeit zur Konzentration komplett abtrainiert hat und mit dem Auftauchen einzelner Fragestellungen, die über den nächsten Klick hinausgehen, so überfordert ist, dass dann lieber zur Betäubung gegriffen wird. Was wäre aber, wenn etwas Überirdisches uns keine Wahl mehr lassen würde? Bodo schwankt zwischen Horror, Mystery, Fantasy, Komödie, Melodram, Liebesschnulze, Episodenstory, Science-Fiction, Krimi, Essayexkursen und Gesellschaftsdrama. Ständig dreht sich die verschachtelte Bühne mit ihren vielen kleinen Kabinetten aus Badezimmern, Schlafzimmern und Küchen, die bei Bedarf auch zu OP-Sälen, Kapellen, Supermarkthallen oder Waldstücken werden können. Ständig wechselt die Stimmung zwischen Alltäglichem, Amüsantem und Bedrohlichem hin und her, genau wie das Leben selbst. So ist Bodo ein wunderbar detailreich und bis in die letzte Kleinigkeit gestaltetes Abbild des verrückten, zerstückelten Lebens gelungen, in das etwas von den Menschen nicht zu Kontrollierendes einbricht, dem sie sich stellen müssen. Am Ende sitzen alle Protagonisten am Bühnenrand und blickten sehr nachdenklich in die Zukunft. "Es beginnt", so lauten ihre letzten Worte. Doch was? Der Morgenstern, dieses riesige leuchtende Etwas am Himmel über der norwegischen Stadt scheint für alle etwas anderes zu bedeuten: Apokalypse, Gefahr, Aufbruch, Hoffnung, Neuanfang oder Gotteszeichen. Oder doch nicht? Denn am Schluss wird eben einfach die Glühbirne ausgeschraubt. Alles nur ein Gedankenspiel auf dem Theaterboden, dem die nächste Ablenkung durch den Alltag schon bevorsteht, sobald der letzte Applaus verklungen ist? Ein Lacher beendet diesen aufwühlenden, berührenden und irritierenden Theaterabend. Birgit Schmalmack vom 25.11.23
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Prolog Dionysos, Schauspielhaus Im Namen der Brise, Malersaal
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