Geld oder Liebe?


Manon will beides, doch im Zweifelfall zieht sie der Reichtum noch mehr an, denn Liebe ohne Geld ist auf Dauer nichts für sie. So verabschiedet sie sich von dem kargen kleinen Zimmer, dass sie sich mit dem Chevalier teilte und geht mit dem reichen Lebemann in die glitzernde Feier und Showwelt. Sie genießt den Ruhm, die Bewunderung, und das Vergnügen. Nur selten denkt sie an ihre erste große Liebe. Erst als sie erfährt, dass er sich der Kirche verschreiben will, sucht sie ihn auf.
Die Klosterzelle öffnet ihre Rückwand und Manon tritt Hand in Hand mit ihrem Chevalier durch den Glitzervorhang hinaus in die Weite ihres gemeinsamen Lebens. Endlich sind die beiden wieder vereint. Doch die Bedenken, die der Chevalier diesem Schritt gegenüber hatte, erweisen sich als berechtigt. Die Lebensgier Manons ist so groß, dass sie in allem voll auf Risiko setzt. Mit weniger gibt sie sich nicht zufrieden. Nur der rauschhafte Traum ist für sie lebenswert. Beim Russisch Roulette kommen die Beiden zwar noch mit dem Leben davon, doch das gewonnene Geld bringt ihnen kein Glück.
Regisseur David Bösch setzt ganz auf den Kontrast der düsteren kargen Zellen einerseits und der glitzernden Casinowelt andererseits. Seine Bildersprache ist klar. Wozu sich Manon hingezogen fühlt wird, schon in der ersten Szene klar. Die Paillettenkostüme und billigen Schmuckstücke der Prostituierten, auf die sie in der Pariser Kneipe tritt, findet sie wunderschön. Manon ist eine Verführerin und sie wird verführt. Wie sie mit ihrer Schönheit bezirzt, so wird sie vom Geld angezogen. Doch interessant wird dieser Charakter erst dadurch, dass Manon einerseits ihre Unschuld und ihre tiefe Liebe ebenso glaubwürdig, wie ihren Hang zu allem, was glitzert und glänzt, verkörpern kann.
Pretty Yence sprang an dem besuchten Abend für die erkrankte Hauptdarstellerin Elbenita Kajtazi ein. Sie changiert gekonnt zwischen naivem Mädchen und starker selbstbewusster Frau. Sie brilliert technisch und setzt eigene Akzente durch ihre Interpretation der Rolle. Enea Scala ist als ihr ergebener Liebhaber von bedingungsloser Liebe und Hingabe gekennzeichnet, die sowohl in seiner Darstellung wie auch in seinem Gesang voll zum Ausdruck kommt. Thomas Oliemans als Manons Bruder tritt als kämpferischer Macho auf, der keinem Konflikt aus dem Weg geht und immer ein Messer parat hat. Anders als im Original lässt Bösch allerdings auch Manon zu einer handelnden Power-Frau werden, die ihr Schicksal nicht von Männern bestimmen lässt. Sie greift zuerst zur Pistole und schließlich sogar zur Giftampulle, als der Rausch ihres Lebens sich unwiederbringlich dem Ende zuneigt. Denn mit halben Sachen gibt sie sich eben nicht zufrieden.
Die Musik von Jules Massenet ist dafür perfekt komponiert: Sie unterstreicht das Rauschhafte in ihrer Expressivität der Emotionen hervorragend. Dadurch dass Bösch den Chor rechts und links in den äußersten Logen verteilte, schien sie zudem das Publikum ganz zu umfangen und mit ins Geschehen einzusaugen.
Birgit Schmalmack vom 7.2.22




Manon, Staatsoper Foto: Brinkhoff/Mögenburg


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Tatjana, Hamburgballett
Silvesternacht, opera stabile