Recent tragic events, Universal Players, Audimax

"Recent tragic events" im Audimax by G2 Baraniak



Freier Wille oder Vorherbestimmung?

Die Twin Towers sind immer im Blick, denn der Fernseher läuft ständig. Am Bühnenrand im Audimax stehen sie noch in weißer Unschuldigkeit und Unversehrtheit. Doch es ist der 12.September. Ganz Amerika schaut wie gebannt zu, – und mit ihm große Teile der Welt – wie die Türme im Dauerloop einstürzen. Die Attentate auf die Symbole der amerikanischen Macht beherrschen die News. Denn nun scheint vieles nicht mehr wie zuvor. Manche sicher geglaubte Gewissheit ist mit den Türmen eingestürzt.
Der Autor Craig Wright versucht in seinem Stück „Recent tragic events“ genau diese Stimmungen einzufangen. Dafür lässt er in dem Mikrokosmos eines kleinen Apartments die junge Waverly, ihren Zimmernachbarn Ron, seine Freundin Nancy und ihre Blind-Date-Verabredung Andrew zusammentreffen. Im Verlauf der alkoholgeschwängerten und aufwühlenden Nacht werden angesichts der existenziellen Bedrohung Ängste, Hoffnungen und Irrationalitäten an die Oberfläche gespült.
Waverlys Zwillingsschwester Wendy wird vermisst. Sie könnte unter den Opfern sein. Hektische Telefongespräche unterbrechen jede Unterhaltung. Als eine Schriftstellerin, die zufällig eine Namensgleichheit mit der berühmten Joyce Carol Oates aufweist, in Form einer kleinen Sockenpuppe die nächtliche Runde vervollständigt und die Nervosität und der Alkoholpegel stetig steigt, werden die Gespräche immer surrealer, emotionsgeladener und philosophischer.
„War dieser Moment nicht durch unser arrogantes Verhalten der übrigen Welt gegenüber vorherbestimmt“, fragt sich Ron. Waverly fühlt sich angesichts des Verschwindens ihres Zwillings wie halbiert. Frau Oates glaubt unbeirrt an den freien Willen des Menschen, der ihn als einziges von den Tieren unterscheiden würde. Andrew dagegen erkennt die Schicksalhaftigkeit in den Ereignissen, die die Einzelentscheidungen des Menschen unbedeutend erscheinen lassen. Nancy hält all das für Geschwafel; sie lebt einzig im Hier und Jetzt.
Wright balanciert in seinem Stück geschickt die Momente der Surrealität und der Realität aus und verursacht damit genau die Verunsicherung, die auch seine Protagonisten erleben müssen. Entschied die Zuschauerin, die zu Beginn eine Münze werfen sollte, damit tatsächlich über den weiteren Verlauf des Geschehens? Lenkt der Klingelton des Soundmangers die Geschicke, wie er anfänglich erzählte? Ist die Sockenpuppe nun eine Kopfgeburt der alkoholisierten Nachtgestalten, doch die tatsächliche Schriftstellerin oder einfach eine Namensvetterin? Ist Andrew mit seinem einstigen Rat für Wendy, das Jobangebot in einem der Towers anzunehmen, mit verantwortlich für ihren Tod?
Die Universal Players inszenieren diese zeitgenössische Komödie konsequent als intimes Kammerspiel. So sitzen die Zuschauer mit auf der Bühne des Audimax direkt in Waverlys Apartment. Regisseur Jasper Koch inszeniert das Stück mit sicherem Gefühl für Stimmungen. Er hat dafür vier wunderbare Hauptdarsteller gefunden, die ihre Charaktere sehr souverän verkörpern. Henrike Holtz (Waverly) ist die leicht hysterische, aufgekratzte, lebenslustige PR-Frau, Nicholas Taylor (Andrew) der zunächst schüchterne, später durch Alkoholeinfluss gelockerte Buchverkäufer, Ryan-David Stark (Ron) gibt den dauerquasselnden, extrovertierten Künstler und Charlotte Poth (Nancy) seine sexbesessene, unbehoste, schweigsame Gespielin, die mit der Sockenpuppe als Frau Oates zur sprachgewandten Intellektuellen mutiert. Sehenswerte Inszenierung!
Birgit Schmalmack vom 14.6.12