Dementia, Porton Theater
Aufregende Überforderung
Das Wort „Erinnern“ steht zum Schluss als Mahnung an der Haustür der heruntergekommenen Villa, die die Bewohner für immer geschlossen haben. Doch dieses Erinnern ist zum Problem geworden in einer Gesellschaft, die keine Vergangenheit aber auch keine Zukunft mehr hat. Als Hort der letzten Widerständigen in seinem Heimatland Ungarn hat Regisseur Kornél Mundruczó in „Dementia“ eine Klinik für Demenzkranke auserkoren. Hier darf noch Kunst gemacht werden, wenn dem Land von einem dementen Premierminister eine demente Kunst mit leicht verdaulicher Botschaften verordnet wird. Auch wenn Regisseur sein Stück mit scheinbar eingängigen Attributen wie Operetten- und Popeinlagen versieht, passt er keinesfalls in das gewünschte neue Kunstkonzept. Doch auch in kein anderes lässt er sich widerstandslos einordnen. Schunkelt er die Zuschauer gerade noch in pinkem Diskolicht in Walzerseligkeit ein, so schockt er sie kurz danach mit Splatterattitüden, Gewaltexzessen und Pornoeinlagen. Gesellschaftskritik mischt er mit Anleihen der Popkultur. Scheinbare Anbiederung bei gleichzeitiger Abgrenzung zu allen Seiten ist sein Markenzeichen. Verunsicherung auch der Zuschauer, die sich in nie wohliger Selbstvergewisserung wiegen können, ist sein Ziel, mit dem er gegen die beruhigende Demenz, die das eigenständige Denken unmöglich macht, vorgehen will. Er erschafft ein Abbild einer Gesellschaft, die sich der Demenz in Form einer Abfolge unterschiedlichster Ablenkungen hingibt. Kaum droht ein Aha-Erlebnis, deckt der nächste Flirt, der nächste Tanz, der nächste Song alles wieder sogleich zu, was unangenehm werden konnte.
Dieser Gemischtwarenladen der Stilmittel ist ein Hort der Überforderung. So rangen sich um die einfach zu entschlüsselnde Kernbotschaft allerlei Aufreger, die für Gesprächsstoff sorgen können. Dieses Enfant Terrible der ungarischen Theaterszene hat es unter der jetzigen Regierung schwer in seinem Heimatland gezeigt zu werden; so sorgt er mit seinem aufregenden Stil für Einladungen zu den internationale Festivals.
Birgit Schmalmack vom 10.2.15