Das ist Esther


Leben statt überleben


Meine Grandma kommt gleich, verspricht Mary Ann (Florentine Weihe) nach dem Betreten des Klassenraumes noch. Doch bald muss sie einsehen, dass sich ihre Oma wohl entschlossen hat, ihr den Job des Zeitzeugen zu vererben. Obwohl Mary Ann aus New York mit ihren 17 Jahren natürlich keine ist. Sie kann nur die Geschichte ihrer mittlerweile neunzigjährigen Grandma erzählen. Und das macht sie völlig ohne Pathos, ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit ehrlicher Entrüstung.
Der Schulleiter und Namensgeber der Alberto Jonas Schule im Karoviertel war Esthers Vater. Seine Tochter überlebte als einzige der Familie Auschwitz, in das sie sogar freiwillig aus Theresienstadt abfuhr, um ihrem ersten Ehemann nachzureisen. Mary-Ann braucht nur wenige Striche auf dem Whiteboard des Schulraumes um die Lebens- und Leidensstationen von Esther zu skizzieren. Ohne Mätzchen verleiht sie mit ihrer jugendlichen Unbedarftheit dem Stück große Authentizität.
Es ist eine interessante, zeitgemäße Idee von Autorin Christiane Richers und Regisseurin Katja Langenbach für ihr Klassenstück die Enkelgenerationen aufeinandertreffen zu lassen. Die Grandma Esther Bauer spricht zu den jugendlichen Zuschauern nur vom Band, das in diesem Fall natürlich vom Handy kommt.
Doch die Enkelin Mary Ann will keine Überlebende sein, sie will leben. Denn noch viel lieber als über das Leben ihrer Großmutter zu referieren würde sie einen Film über eine von Esthers zahlreichen Lovestories drehen.
Birgit Schmalmack vom 16.6.14



Zur Kritik von

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