Verdammt sei der Verräter der Heimat
Was glotzt ihr deutschen Arschlöcher?
Immer wieder zerfetzen Schüsse die vermeintliche Sicherheit. Kaum ist das slowenische Heimatlied gemeinsam intoniert, zückt einer die Waffe und schießt.
Regisseur Oliver Frijic arbeitet mit stetiger Verunsicherung. Keiner kann sich sicher fühlen. Mal ist der eine Schauspieler dran. Dann wird er von den anderen wegen seiner kroatischen Mutter angegriffen und niedergemacht. Seine slowenische Abstammung, die er stets beteuert, sei nur behauptet. Dann ist eine der Schauspielerinnen im Fokus. Ihre Weigerung das Lied einer vermeintlichen Kollaborateurin zu singen, wird heftigst kritisiert und defamiert. Doch zwischendurch sind auch die Zuschauer Ziel des Angriffes. „Ihr deutschen Finanzdiktatoren versucht über ganz Europa mit eurem Streberkapitalismus zu herrschen und dabei noch reicher zu werden!“ Am liebsten würden die Schauspieler sich ein paar aus dem Publikum nehmen und sie kräftig durch-„f.......“. Doch ebenso schnell wie die bedrohliche Einschüchterungskulisse aufgebaut worden ist, ist sie mit einem herzhaften Gelächter oder einem beruhigenden „Alles nur Theater!“ beendet. Doch auch die darauf folgende Beschaulichkeit hält nie lange vor.
Frijic glaubt an keine einfache Wahrheiten und Lösungen mehr. Er zeichnet ein Ex-Jugoslawien in tiefer Zerrissenheit. Alle alten Sicherheiten sind weggeschossen, alle alten historischen Wahrheiten als Lügen enttarnt, alle früheren Verbrüderungen zu Kriegs-Feindschaften mutiert und alle wirtschaftlichen Grundlagen durch einen Turbo-Kapitalismus zerstört. Das enfant terrible des slowenischen Theaters operiert zum Durchrütteln aller Beteiligten gerne mit Überraschungen jeder Art: Provokationen, Nacktheiten, Beschimpfungen, Fäkalsprache und Erschießungen. Mal ist der Ton ein ganz leiser und melancholischer, um gleich danach wieder umso zu einem wütenderen zu werden. Hilflosigkeit, Ohnmacht und Perspektivlosigkeit spricht aus dieser Szenencollage aus Ex-Jugoslawien nach Tito. Ein verstörender und dennoch wichtiger Beitrag zu dem Ideal Europa.
Birgit Schmalmack vom 5.2.13