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Tschechow, Thalia |
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Showdown in Zeitlupe „Langweilig!“ – „Jetzt schon?“ Dieser kleine Dialog zu Beginn eines Tschechow-Stückes sorgt schon für wissende Lacher im Publikum. Doch langweilig wird es erst einmal nicht in Jan Bosse Platonow-Inszenierung am Thalia Theater. Bühnenbildner Stephane Laimé hat das Gut der Familie Wojnizew in einen Zirkus-Wohnwagen verlegt. Auf engstem Raume stellen sie hier ihren noch verbliebenen Luxus aus: Stilmustertapete, Rüschengardinen, Hirschgeweihe, goldenes Mobiliar. Unausweichlich dicht kommen sich die Neurosen, Begierden, Verletzungen, Vorwürfe und Sehnsüchte der Dorfgesellschaft, die nach sechs Monaten Winterschlaf und Einsamkeit wieder aufeinander hocken. Um sie herum und unter ihnen nur schwarze Aschewüste. Unbehaust immer auf der Suche nach einem Ort der möglichen Erfüllung. Den Wohnwagen beehrt auch Platonow. Um den intelligenten Spötter kreist die Gesellschaft. Doch mittlerweile ist er zum angepassten Dorflehrer, Ehemann und Vater geworden und sein Spott ist in bitteren Zynismus abgeglitten. Dennoch vermag er in den Frauen immer noch so große Leidenschaft zu wecken, dass sie an einen Neuanfang und Erlösung durch ihn glauben wollen. Die 50-Jährige Generalin (Victoria Trauttmansdorff) will ebenso mit ihm durchbrennen wie jung verheiratete, schöne Sofia (Patrycia Ziolkowska) und die kluge Wissenschaftlerin Marja (Marie Löcker). Viel Konkurrenz für die brave, zupackende Ehefrau Sascha (Marina Galic). Bosse bringt die Skurrilitäten dieser Dorfgesellschaft voll zur Geltung. All ihre Besonderheiten sind wie unter einem Brennglas zu erkennen. Der liebevolle, treue, ergebene Frisch-Ehemann Sergej (Sebastian Zimmer) ist von liebevoller, gradliniger Verhuschtheit. Der Tunichtgut Nikolaj (Jörg Pohl) nutzt jede Gelegenheit zu einem Witz und macht selbst das Betrunkensein zu einer gekonnten Slapsticknummer. Porfirij (Bruno Cathomas) ist der allzeit bereite gelackte Galan, der seine Wendehalsigkeit lieber als Diplomatie ausgeben würde. Timofej (Matthias Leja) ist der aalglatte Emporkömmling , der seinen Neid und seine Rachegelüste gegenüber den einst Begütereten durch Abzockerei kompensiert. Der wankelmütige Platonow kann zu keinem der zahlreiche weiblichen Angebote Nein sagen. Die geballte Ladung der Enttäuschungen entlädt sich somit gleich vierfach. Doch am meisten trifft ihn eine eigene. Er wäre nicht der, den die Frauen bewundern, wenn er nicht erkennen würde, wie wenig er seinen eigenen Erwartungen entspricht. Jens Harzer ist als attraktiver Spötter ebenso überzeugend wie herumeiernder Jeinsager und als depressiver, sich zermürbender Loser. Nach der Pause bedient Bosse dann doch noch die Tschechow-Erwartungen: Die Spannung fällt rapide ab. Dabei kommt es jetzt zum Show-Down, der sich allerdings in Zeitlupe abspielt. Die Show des permanenten Selbstbetrugs ist zu Ende. Bosse erspart den Zuschauern keine Sequenz dieser zermürbenden und quälenden Demaskierung und schmerzlichen Selbsterkenntnis. Er hat die Darsteller dazu: Wie Platonow vor den Augen seiner einstigen Bewunderer Stück für Stück zerfällt, kann er mit Harzer zelebrieren. Reden, Schwafeln, Abwägen, Selbstdarstellen, Ego-Show, Trinken, Feiern, Affären: „Platonow“ erscheint in Jan Bosses Inszenierung als überaus aktuelles Stück. Leider führen aber Ermüdungserscheinungen in den Zuschauerreihen selten zu aufrüttelnden Selbsterkenntnissen. Birgit Schmalmack vom 4.9.12
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Zur Kritik von |
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