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Verpflichtung zum Vergnügen |
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Wenn man 500 Leistungsträgern beim Ententanz zusehen, wenn man die verschiedenen Auswirkungen der Schönheits-OPs bei Hunderten von fast nackten Menschen betrachten kann wenn man den Imperativ dem Verwöhnenlassens gehorchen muss, dann ist man höchstwahrscheinlich Gast auf einer Luxus-Kreuzfahrt. Genauso wie der Protagonist, der an einer 7-tägigen Caribbean Cruise teilnimmt. Dabei hasst er Menschenansammlungen und hat eine Sonnenallergie. Er durchlebt diese sieben Tage verschiedene Phasen. Zuerst bemüht er sich um einen sehr respektvollen Ton den Angestellten des Schiffes gegenüber, versucht ihnen möglichst wenig Arbeit zu machen, schämt sich fast für die Inanspruchnahme des Zimmerservices. Doch nach ein paar Tagen fängt er ebenso ungnädig zu werden wie seine Mitreisenden. Die Selbstverständlichkeit des Überflusses und die Abgabe jeder Eigenverantwortung zeigt ihre Auswirkungen. Er erkennt, dass er sich zuletzt so umsorgt gefühlt hatte, als er sich noch im Bauch seiner Mutter befand. In diesen Zustand eines Kleinkindes, das sich um nichts selbst kümmern muss, wird er auf dieser Kreuzfahrt wieder hineingeworfen und beginnt sich darin einzurichten. Doch nachts überkommt ihn manchmal die Verzweiflung. Gerade in dieser Umgebung, die alles versucht, um alle Unannehmlichkeiten zu verhindern, bricht das Bewusstsein der Vergänglichkeit und der Todesverdrängung umso stärker an die Oberfläche. Letztendlich dient dieser Zwang zum Vergnügen nur dazu, in die noch verbleibende Zeit bis zum Ableben so viel wie möglich an Events hineinzurutschen. So jagt der Mann von einem Programmpunkt zum nächsten, um dem verordneten Nichtstun zu entkommen.
Bernd Grawert ist dieser Passagier auf der Nadir, dem weißen Schiff, das so wirkt, als sei es gerade aus der Kochwäsche gezogen worden. Er nutzt den Ballsaal des Thalia in der Gaußstraße voll aus, um von seinen Tagen unter den Celebreties zu erzählen. Er jagt die Showtreppe hinauf, um oben von Deck auf das Wasser zu schauen. Er setzt sich zwischen die Zuschauer:innen, um mit ihnen in Kontakt zu treten. Er nimmt Platz an der Bar, um von einem Gottesdienstbesuch zu erzählen, der auch auf der Nadir in der Bar stattfand. Er setzt sich ans Klavier, um von der Befriedigung („Satisfaction“) zu singen. Er tanzt auf der Bühne, um das abendliche Showprogramm zu illustrieren. Er gibt dem kritischen und erschreckend ehrlichen Kreuzfahrtfahrer in David Foster Wallace Essay Stimme, Gesicht und Körper. Es bringt ihm sichtlich Spaß alle Facetten dieses Mannes und von weiteren Prototypen unter den Passagieren darzustellen, denn er ist ein Komödiant, der das Abgründige zu schätzen weiß.
Birgit Schmalmack vom 18.11.24
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Yol oder ein Zebrastreifen geht Sonne suchen, Thal Blue Skies, Thalia
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