Fontainhead, Thalia
Wettstreit der Ideologen
Howard Roarck (Jens Harzer) schiebt den eisernen Vorhang mit seinen bloßen Händen hoch. Er steht mit geschlossenen Augen auf einer imaginierten Klippe und träumt von einer neuen Architektur. Die Form solle ausschließlich der Funktion folgen, und etwa wie bisher den Wünschen nach Selbstdarstellung seiner Auftraggeber. Jedes Material sollte entsprechend seiner Eigenschaften verwendet werden. Es sollte ausschließend ehrlich verwendet und nichts vorgaukeln. Sein Freund Peter Keating (Jörg Pohl) steht im akkuraten Anzug und aalglatt gestriegelten Blondhaar kopfschüttelnd neben ihm. Er verfügt zwar nicht über die Genialität und Kreativität seines Studienkollegen aber dafür über massenhaft Ehrgeiz und Anpassungswillen. Während Howard zu einem auftraglosen Altmeister der kompromisslosen Modernismus geht, steigt Peter in das größte New Yorker Architekturbüro ein. Er weiß sich beliebt zu machen, während Howard jedem schonungslos seine Meinung vor den Kopf knallt.
Genau diese Unbedingtheit erregt das Interesse der unangepassten Dominique(Marina Galic). Sie erkennt in Howard eines Seelenverwandten, dem sie erlaubt, in ihr Gefühle zu entfachen, denen sie sich bisher verweigert hat. Sie hat Peter nur aus einem Anfall von Wunsch nach Bürgerlichkeit geheiratet. Doch Howard und Dominique sind gnadenlose Egoisten, unfähig zum Austausch. Während Dominique ab und zu den Wunsch danach in sich zu verspüren scheint, hat Howard keinerlei tiefgehendes Interesse an anderen Menschen. Er glaubt einzig an seine Schaffenskraft, die sich nur in der Ungestörtheit eines Einzelgängers entfalten kann.
Autorin Ayn Rand spiegelt in ihrem Roman „Fontainhead“ in den Auf- und Absteigen nicht nur dieser beiden Männer das gandenlose Wirtschaftsgebahren in Amerika und seine gesellschaftspolitischen Auswirkungen. Zu den beiden Architekten gesellen sich zwei Medienvertreter, aus dem TV- und Printmedienbereich, die je nach jeweiliger Interessenlage Leute wie Howard zu Fall bringen oder zu pushen versuchen. Durch das freie Spiel der Kräfte, ohne die Verwerfungen eines sozialstaatlichen Regulierung werde stets der Beste gewinnen, so lautet Rands These, und zwar zum Wohle aller.
So tänzelt Howard am Ende siegesgewiss mit Dominique über die Bühne. Sie hat zwar schon lange nicht zugehört, als er ihr seine Vorstellungen, Ideen und Überzeugungen wortreich darlegte, doch auch sie werden ein Teil der großen Partygesellschaft New York sein. Sie hat sogar den zeitweise gestrauchelten Peter, der an der Inhaltslosigkeit seines Lebens und Arbeitens zu verzweifeln drohte. wieder in sich aufgenommen.
Johan Simons hat nach der Fassung von Koen Tachelet aus dem Roman ein vierstündiges Theaterstück gestaltet. Während die Thesen des russischstämmigen Amerikanerin Rand aus heutiger Sicht zu einseitig und schlicht klingen mögen, sind es ihre Figuren keineswegs. Im Laufe des Abends werden sie mehrfach gebrochen und bleiben damit in ihrem Zusammenspiel bis zum Schluss interessant. Die vielfältigen Fragestellungen, mit denen sie sich in ihrem Leben konfrontiert sehen, scheinen heute in einem Amerika unter Trump höchst aktuell und sorgen für einen spannenden Theaterabend, nicht zuletzt durch das exzellente Spiel des Ensembles, allen voran Harzer als Howard und Garlic als Dominique..
Birgit Schmalmack vom 18.5.18