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Schere Faust Papier, TIG

Schere Faust Papier, TIG

Schöne Oberflächen

Wenn Außerirdische auf die Welt schauen würden, was würden sie sehen? Was müssten sie wissen, um die Weltgeschichte zu verstehen? Diese Fragen versucht "Schere, Faust, Papier von Michel Decar in der Regie von Ersan Mondtag zu erkunden. Von der Steinzeit an wird die ganze Menschen-Geschichte im Schnelldurchlauf durchgespult. Die kleinen grünen Männchen (Marie Löcker, Thomas Niehaus, Cathérine Seifert, Oda Thormeyer, Tilo Werner) mit den Eierköpfen, den Höckern an ihren Extremitäten und dem Fellwanst huschen durch die Zeit, wie man mit dem Smartphone über die Bilder im Netz wischt. Von einer Menschheitsphase geht es flugs in die nächste, im gemeinsamen watscheligen Marsch über die Erhebungen des spitzbergigen Bühnenbilds aus surreal gemusterten Holzpyramiden. Gemeinsam singen, summen, beamen und erzählen sich die Fünf durch die Zeitepochen der Menschheit. Wenig Erfreuliches haben sie zu berichten. Viel ist von Aufstand, Krieg, Herrschaftswillkür und Massenmord die Rede. Einzig der letzte Satz scheint einen Ausweg aufzuzeigen: "Nur die Wahrheit kann jetzt noch helfen." Doch was, wenn diese Wahrheit nur von dem Gefangensein des Menschen in Loops der Zerstörung berichten kann?
Autor Michel Decar ermutigt mit seinem Blick auf die Geschichte der Welt keineswegs. Regisseur Ersan Mondtag versucht mit seinem Szenario zwischen Science Fiction, Apokalypse und Comic Witz in die vorbeiziehenden Bilder zu bringen. Bei ihm macht es Spaß den Schauspielern bei ihren vielstimmig und gekonnt choreographierten Zusammenspiel zuzuschauen. So wirken bei dieser Inszenierung eher die Bilder nach; die Botschaften bleiben seltsam in die Ferne gerückt. Anders als bei Mondtags Vorgängerinszenierung im Thalia in der Gaußstraße "Schnee" weisen die atmosphärischen Bilder kaum über sich selbst hinaus. Während dort ein Gesellschaftsbild entworfen wurde, das viel über uns erzählte, bleibt dieser Abend eher in einer assoziativen Spielerei hängen.
Birgit Schmalmack vom 22.1.17