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Wir sind hier. |
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Erstmalig wird der Hinterhof vom Theaterdiscounter bespielt. Dazu wurde extra eine mobile Bühne gestaltet, die in Zukunft auch an anderen Stellen auf dem neu zu gestaltenden Molkenmarkt Station beziehen kann. Denn der TD will sich im Rahmen seiner Reihe "StaTD finden" in den Gestaltungsprozess des neuen Stadtzentrums aktiv mit einbringen. So geht es in der Inszenierung, die diesen neuen Spielort einweihte, auch um eine Zerstörung und um einen Neuanfang. Patricia Bateira stimmt mit ihrem binären Alter Ego NATÜRlich auf den Abend ein. Mit ihren leisen, gleitenden, einfühlsamen Improvisationen auf der E-Gitarre macht die Künstler*in das Publikum bereit dafür, sich auf die folgende Performance einzulassen. "Wir müssen uns nicht umschauen um zu wissen: alle sind hier. Wir sind hier.“ Was sich anhört, wie die Rede zu einem freudigen Zusammenkommen, hat jedoch bei genauerer Betrachtung einen Hintergrund, der nicht für Euphorie sondern für Zerstörung, Ermordung, Verleugnung, Scham, Hass, Verzweiflung und Trauer steht. Drei Mikrofone hat Sivan Ben Yishai für ihre szenische Lesung ihres Textes "Unsere Stadt aus Vogelaugen - Eine Blutung im Dunkeln" vor sich auf der Bühne stehen. Das mittlere verstärkt ihre natürliche Stimmlage. Das linke dröhnt drohend und unheilvoll, das rechte klirrt schneidend klar und hell. Mit ihnen wird sie drei verschiedene Perspektiven auf die Zerstörung der Dortmunder Synagoge 1938 einnehmen. Einen Tag vor der Kristallnacht demontieren Dortmunder die Synagoge Ziegel für Ziegel, Baustein für Baustein, Bank für Bank. In der Mitte berichtet sie in von dieser Vergangenheit, die überraschend in eine Zukunft führt. Denn: "Wir sind hier." Wieder. „Das ist der beste Moment für mich.“ Doch eine Ahnung von neuerlichem Unheil mischt in sich den Optimismus. Sivan wechselt ans linke Mikrofon. „Die Straße ist kein Ort für dich“, droht die dunkle Stimme unheilsverkündend. Ein Mensch wird durch die Stadt gejagt und so lange geprügelt, bis aus seiner Mundhöhle nur noch Ströme von Blut fließen und seine Zähne um ihn herum verteilt liegen. Am rechten Mikro mischt sich die „Pathologin“ ein: Sie dokumentiere akribisch die Verletzungen, die an dem Bauwerk der Synagoge und an den Menschen verübt wurden. Auch sie alle zahnlos am Schluss. Dann steht Sivan wieder an der mittleren Position: "Auch die Täter sind verwundet." Doch Illusionen gibt sie sich nicht hin. "So jung, so hoffnungsvoll, erinnert euch meiner", wünscht sie sich nur zum Schluss. Die Soundinstallation von HYENAZ als Untermalung zu bezeichnen, wäre eine krasse Untertreibung. Die beiden Künstler*innen treiben Sivans Text mit ihren Gesang, Beats, Tönen und Stimmen an. Die Visuals von Patricia Bateira, die auf die Rückwand des Gebäudes des Theaterdiscounters projiziert werden, entfalten eine ganz eigene Ästhetik. Auf den leicht marmorierten Plattenreihen und den dazwischen liegenden Fensterbändern erscheinen die Bilder von Farbwolken und Aufnahmen vom aufgerissenen Molkenmarkt so verfremdet, dass das Unsichtbare stets zum Teil des Gezeigten wird. Denn auch dieser atmosphärisch dichte Abend zeigt, wie aus einer extrem schrecklicher Vergangenheit eine ziemlich gute Gegenwart werden kann. Aber warnt gleichzeitig davor, dass diese keinerlei Gewissheiten für die Zukunft zu geben vermag.
Birgit Schmalmack vom 20.6.21
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