Auf der Suche nach der Weltformel
Wenn die Welt doch nur berechnet und verstanden werden könnte! Dann wüsste man, wie zu leben wäre. In einer Welt, in der alles mach- und quantifizierbar scheint, kann man sich und die eigene Unsicherheit und Unwissenheit wunderbar hinter klugem mit vielen Fremdwörtern gespicktem Welterklärungsblabla verstecken. Jede These fordert eine Antithese heraus. Schließlich weiß jeder, dass die Fiktion von einer einzigen Wahrheit längst überholt ist. Jeder neue Theorie ist nur eine von vielen denkbaren Möglichkeiten. Dass schafft Freiraum und zugleich eine Unbestimmtheit, in der das Einzelwesen droht sich im Universum zu verlieren. Schön wenn man sich dann auf die vordergründigen Dinge des Lebens konzentrieren und die Gedankenkonstrukte in den wummernden Beats wegtanzen kann. Da kann der kräftige Schnief auch nicht schaden, erhöht er doch gleichzeitig das Denkvermögen. Die Vier der Weltunter-Gang, jeder mit viel metaphysischem Gepäck im persönlichen Rucksack, sind ständig drauf. Sie sind in einer Dauerschleife der Dekonstruktion, der Dialektik, der Selbst- und Fremd-Analyse gefangen. Sie nehmen ihre eigene Existenz dabei nicht aus. Wenn alles eigentlich Schwarz und Weiß, Sein und Nichtsein, Nichts und Alles sein kann, dann können auch sie selbst alles und nichts sein. Welchem Zustand den Vorzug zu geben ist, da sind sich manche von ihnen nicht sicher. Derjenige, der mehr für das Spielerische ist, will dem Sein im Moment den Vorzug geben. Diejenige, die das Leiden an der Welt in sich spürt, meint eher eine Verkörperung des Nichts zu sein. Wie sie dennoch der Erdenschwere der Gedanken für kurze Zeit enthoben werden, zeigt Regisseur Helge Schmidt mit vier riesigen Luftballons, die der junge Spieler sich an seine Hosenträger bindet.
So findet er für all die Sprachwelten, die die Autorin Lena Biresch aufmacht, spielerische Bilder, die er mit seinen vier wunderbaren Schauspielern (David Kosel, Robin Krakowski, Laura Uhlig und Maria Magdalena Wardzinska) auf der leeren Bühne des Lichthofes erschafft. Immer wieder lockt er die Zuschauer geschickt auf die Gedankenfährte, einen Faden der verwirrende Denkknäuel zu erwischen. Meint er einen erfasst zu haben, dem er folgen kann, erweist er sich kurze Zeit später wieder als eine der vielen Möglichkeiten, die ins Nichts führen. Altbekannte Wortspiele treffen auf Wortneuschöpfungen und entführen in unbekanntes Hirngelände. Das ist anspruchsvolle Sprachkunst, die Schmidt wundervoll ausbalanciert zwischen Ernst und Ironie in Theater übersetzt hat. Birgit Schmalmack vom 16.10.15
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