Prometheus brachte einst das Feuer der Erkenntnis zu den Menschen und wurde dafür bestraft. Ein heutiger Prometheus brächte den Menschen wohl die KI. Fluch oder Segen? Gerade für das Theater? Die Kunstform, die wie keine zweite für die im Moment entstehenden Originalität des Kunstwerks steht. Dieses Experiment wagen die CyberRäuber, ein Berliner Künstlerkollektiv aus Marcel Karnapke und Björn Lengers mit ihrer Arbeit "Prometheus unbound". Nach Liveaufführungen in Linz und Dortmund nun passend zur Zeit komplett im Netz. Im Theater in Linz stehen die Schauspieler Angela Waidmann und Alexander Julian Meile auf der Bühne. Und performen Texte, die ihnen die KI diktiert. "Der Körper ist unser Fenster zur Welt." Dieser philosophische Satz war die Ausgangslage für die Textproduziermaschine GTP2, die ab da für die Wörter, die Sätze und den Inhalt des Abends sorgte. In bester Diskursmanier sinnierte die KI über das Körperbild, das von der Kultur vorgegeben sei, empfahl einen gesunden Umgang mit dem eigenen Körper, lud dazu ein, ihn zu lieben und sich nicht von der Gesellschaft Konventionen einschränken zu lassen. Der GTP2 hat uns anscheinend perfekt zugehört. Denn er wird gespeist von zig GB an Textmaterial, die dann in sinn- und stilgemäß angepasster Weise abgespult werden können.

Doch sind wir Menschen nicht auch nur eine Ansammlung von Algorithmen? Könnte uns ein guter Computer nicht besser verstehen, als wir uns selbst? Auch darüber kann der GTP2 mitdiskutieren. Herrlich absurd wird es und auch ziemlich spooky, wenn die KI ihre Meinung zu dem Wesen von Original und Kopie kundtut. Die Metaebenen, die hier über- und unterlegt werden, sind so verwirrend, dass sie schon wieder Sinn ergeben. Wird so der Text zum Quellcode des Theaters? Oder wird die Form umso wichtiger? Doch was geschieht, wenn auch die Musik und die Bilder durch die KI erschaffen werden? Dann stehen die beiden Performenden in den sich immer wieder verändernden Kunstwerken, Porträts Fotografien und werden von leiser dahin plätschernden Klaviermusik umspült.

Zum Schluss singen die beiden einen KI-Choral, harmonisch klingt er und wirkt doch ein bisschen wie ein Abgesang auf das Theater, wie wir es kannten. Ob das neue eine kybernetische schöne neue Zukunft erstrahlen lässt, wie die Kinderstimme zu Beginn erträumte, bleibt fraglich. Der Mensch stand am Anfang, doch ob er auch als gestaltendes Element am Ende stehen wird, wie die beiden vermuten, bleibt abzuwarten. Dieser spannende Theaterabend zumindest lässt die Auswirkungen erlebbar und damit erahnbar werden. Und stellt einmal mehr die Frage nach dem Wert des Originals, des Realen im Gegensatz zur Kopie, zum Virtuellen. Oder sollte sich dieser Gegensatz gerade auflösen und wir wissen es nur noch nicht?
Birgit Schmalmack vom 12.4.21