Sex matters!
Sex matters!
Im knallroten sexy Anzug verrät Alba de Miguel, was sie vorhat: Sie will den Zuschauer*innen ein Seminar anbieten. Über das Thema, das sie für das Wichtigste hält, denn "sex matters". Die Doppeldeutigkeit des Wortes "sex", das sowohl Geschlecht und wie auch Sexualität bedeuten kann, ist dann auch genau der Rahmen ihrer Erkundungen. Wie darf sich eine Frau verhalten? Wie verführerisch, wie intellektuell, wie stark darf sie sein? In ihrer eigenen Wahrnehmung und in der der Gesellschaft? Was ist, um mit dem Titel zu sprechen, noch "Ladylike"?
Für die zweite Arbeit orientiert sich Daniel Afonso für sein Solo "My favorite body" am Roman „Ein Mann der schläft“ von Georges Perec. Darin entschließt sich ein Mann von einem Tag auf den anderen seinen Alltag zu verlassen. Ab da gerät er in eine Art Zwiegespräch mit seinem Inneren. Afonso realisiert dies, indem er sein Smartphone mit sich selbst sprechen lässt. Zu den Fragen in seinem Inneren versucht er derweil auf der Bühne eine Position zu finden. Das stellt sich als schwierige Aufgabe heraus, wie seine ungelenken und verzweifelten Bewegungen zwischen Stöckelschuh und Perücke zeigen.
Im folgenden Solo schwebt Francesca Bedin zu Rachmaninoff-Klängen mit einem Luftballon durch den Raum. Eine Choreographie, die die Leichtigkeit, die in diesen Zeiten der Krise komplett verloren gegangen ist, wieder in den Mittelpunkt stellt und damit ein Zwischenreich der Erholung anbietet.
Zum Schluss erkundet Leonardo D´Aquino in seiner Performance „ich bin zwei" seine Möglichkeiten als DragQueen. Wie er sich da auf seinem Polsterschemel in seinem goldenen Rock aus Überlebensfolie räkelt und immer neue, noch ungeübte, halb verrutschte Positionen der Verführung ausprobiert, wie er seine Wildheit mit seiner roten Mähnenpracht austobt, wie er sich Stück für Stück wieder in einen Mann zurückverwandelt, das ist absolut sehenswert.
War in dem ersten Teil von "tell me a better story" der cie. toula limnaios das Zurückgeworfensein auf die Ein- bzw. Zweisamkeit das Thema, ist der zweite Teil wesentlich ambitionierter. Während die erste Hälfte in die Innensicht verwies, zielte der zweite Teil nun in die Gesellschaft. In ihm werden Rollenbilder genau an der vermeintlicher Grenze zwischen den Geschlechtern verhandelt. Es wird erkundet, was jenseits der binären Schubladen möglich ist. Damit war die zweite Hälfte der Einzelchoreographien, die während des Lockdowns entstanden, zwar rätselhafter und herausfordernder, aber auch politischer.
Birgit Schmalmack vom 16.10.20
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