Philosophen im Park




Der Parkgärtner (Georgios Tsivanoglou) macht sich so seine Gedanken: Im Stadtpark seien die Reste des unbebauten Raums der Stadt zu finden. Genau hier könne man auch die Reste des Menschlichen wiederfinden. "Etwas Grün im Grau, etwas Ruhe im Ruhelosen." Das ist jedenfalls die Meinung des bärtigen, wohl beleibten Mannes in seinem grünen Overall, der sich schnell als Pfleger nicht nur der pflanzlichen sondern auch der menschlichen Welt des Parks entpuppt. So umrundet er jätend und harkend den Hügel des Parks, auf dem unter Bäumen eine einzelne Bank steht, und hat er immer ein offenes Ohr und eine Schulter zum Anlehnen für die Banksitzenden parat. Für die quirlige Witwe (Dagmar Biener), die hier jeden Mittwoch auf die Männer wartet, die sie sich ins gegenüberliegende Cafe bestellt hat. Wenn sich das nächste Date wieder einmal als ein Fehlgriff herausgestellt hat, ist der Gärtner immer da, um sie zu trösten. Doch neuerdings ist die Bank besetzt. Der Herr (Jürgen Heinrich), der bisher hier jeden Donnerstag seine Ruhe zum Lesen suchte, hat den Tag gewechselt. Als die redefreudige Witwe von ihrem Date zurückkommt und ihm unbefangen von ihrem nächsten enttäuschenden Kandidaten berichten will, stoppt er sie sofort. Er befinde sich gerade in der Hölle von Dantes „Göttlicher Komödie“. Statt niederer Beziehungsproblemchen will er sich also der hohen literarischen Kunst widmen. Seine Überheblichkeit bemäntelt er zwar mit einer distinguierten Portion Höflichkeit, doch die „Winterrose“, wie die Witwe sich in ihren Inseraten nennt, kapiert schnell und verschwindet. Bis zum nächsten Mittwoch.

Natürlich ist es von Anfang klar, dass diese Beiden im Verlaufe dieser locker leichten und dennoch niveauvollen Komödie ein Paar werden werden. Doch die Inszenierung von Philip Tiedemann im Schlosspark-Theater greift diese Erwartung ab der ersten Szene geschickt auf und spielt gekonnt mit ihr. Schließlich trägt der Herr zu jeder Begegnung eine Blume im Knopfloch, die farblich perfekt mit dem jeweiligen Outfit der Dame korrespondiert. Die Figur des Gärtners, der irgendetwas zwischen Gartenzwerg, Philosoph und Therapeut ist, legt über bzw. unter die Handlung eine Ebene, die nie die Grenze zum Lächerlichen überschreitet. Auch die Charaktere der beiden Senioren sind so einfühlsam gezeichnet und werden von den beiden Darstellenden in jeder Nuance so feinfühlig gespielt, dass sie nicht zu Rollenmustern werden, wie die Handlung nahelegen könnte, sondern als Personen lebendig werden. „Winterrose“ verhehlt nie, dass es sich hier um Boulevardtheater handelt, aber eines auf hohem Niveau, und zwar in jeder Hinsicht: schauspielerisch, sprachlich und inszenatorisch.

Birgit Schmalmack vom 11.6.21




Winterrose im Schlosspark Theater Foto: DERDEHMEL


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Schlossparktheater