Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs


Unterschiedlicher bzw. unentschiedener könnten die Signale, die die Frau aussendet, nicht sein. Unsicherheit mischt sich in alle ihre Äußerungen, in ihr Minenspiel, in ihre Bewegungen, in ihre Gesten. Lächelt sie eben noch, schlägt sie sich danach mit der Hand laut klatschend auf den Bauch. Verzieht sie ihr Gesicht unwillig, grinst sie im nächsten Augenblick verschämt. Ihr Ausdruck kann sowohl das eine wie das andere bedeuten. Festlegen tut sie sich nicht. Wer bin ich? Was will ich ausdrücken? Was fühle ich? Was könnte ich sein? Doch auch immer: Wen will mein Gegenüber sehen? Wen muss ich darstellen?

Fünf weitere Frauen sind derweil auf die Bühne geschlichen. Noch verstecken sie sich lieber hinter einer der großen Topfpflanzen. Immer wieder werden sie fast selbst zu einer Pflanze werden, die einfach nur da ist und nicht anecken will. Denn durchgehend scheinen diese Frauen mit sich und dem Leben zu hadern. Ihre Bewegungen sind hart, kantig, zackig, immer wieder fallen sie zu Boden, schlagen hart in der Wirklichkeit auf. Oder sie schlackern wie Gummipuppen durch den Raum, in keiner Weise fähig sich festzulegen. Nur einmal scheint die Frau ganz bei sich zu sein, als sie beschreibt, wie sie einer anderen Person Lust verschafft und dabei ganz im Jetzt ist. Doch später, als alle auf dem Boden liegen und verzweifelt versuchen zu masturbieren, und zwar mit ihren Topfpflanzen, wirken sie nur noch verkniffen, verzweifelt und sofort bereit einfach nur loszuheulen.

Dazwischen werden immer wieder poetische Texte vorgetragen, die alle von der Unmöglichkeit des Menschen sprechen einen tieferen Sinn im Leben zu finden, der über den Moment hinausgeht. Und selbst der sei schwer zu definieren. Sei er nicht in dem Augenblick, in dem er beschrieben wird, schon wieder verflogen? So ist alles immer das eine und auch das andere.

Die Choreographin Lisi Estarás fordert viel von ihren sechs hervorragenden Tänzerinnen ( Candaş Bas, Eli Cohen, Emmanouela Dolianiti, Shannon Leypoldt, Daisy Phillips, Asuka Julia Riedl). Sie müssen nicht nur blitzschnell alles gleichzeitig und immer auch das Gegenteil davon ausdrücken, nein, sie müssen auch noch schauspielern, rezitieren, improvisieren und sogar, wie Candas Bas bewies, singen können.

Mit großer Spannung schaut man den sechs brillanten Performerinnen bei ihrer Talentshow auf der Bühne zu, die aber ein eher schwieriges Frauenbild zeigt. Wankelmütige Frauen, Frauen ohne Rückgrat, Frauen, die alles gleichzeitig bedienen wollen, ihre eigenen Ansprüche und die der Gesellschaft. Sie wollen sexy, stark, selbstbewusst, anschmiegsam, anspruchsvoll, glücklich, anlehnungsbedürftig, selbstbewusst. schüchtern und angriffslustig. Doch alles zur gleichen Zeit sein zu müssen, kann sehr anstrengend und wenig zufriedenstellend sein. Etwas weniger dieser vielen Widersprüchlichkeiten und ein paar besinnliche oder ruhige Momente mehr hätten dieser Arbeit gut getan. So ist man vom Zuschauen am Schluss fast so erschöpft wie die sechs Tänzerinnen.

Birgit Schmalmack vom 9.10.20










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