Wie tanzt man Vertrauen?
Die sorgsame Ausbalancierung zwischen dem Vertrauen in das Selbst und dem in das Gegenüber ist ein Thema in "My body is your body". Gleichberechtigung und Ungleichheit ein anderes. Zu Beginn sind alle drei Performenden - die Tänzerin Mijin Kim und das Akrobatenduo Franceso Germini und Maiol Pruna Soler - in formelle Anzüge gekleidet. Oberflächlich betrachtet also in eine gleichmachende Uniformkleidung gewandet. Dennoch sind auch hier schon die Unterschiede augenfällig. Die hohen Männer, beide gleich groß und von ähnlich athletischer Gestalt, und die kleine zarte Frau neben ihnen. Minutenlang schreiten sie das Rondell ihrer Bühne ab, um die Zuschauernden zu betrachten. Wer steht hier im Fokus? Das Publikum oder die Auftretenden? Dann beginnen zunächst die Männer mit sorgsam ausbalancierten Hebe- und Sprungaktionen, die sich scheinbar anstrengungslos in der Luft und auf dem Boden abwickeln. Die Frau mischt sich ein, nimmt vorsichtig die Stelle einer der Männer ein. Doch noch wie mit angezogener Handbremse. Dann schreiten die Drei zu ihren Hockern an der Seite und entledigen sich erst des Jacketts und dann auch des Oberhemds. Mit freien Oberkörpern schreiten sie nun über die Bühne. Zwischen den Männern entspinnt sich ein Zwischending aus Umarmung und Kampf, der mit lautem Klatschen auf den nackten Körperteilen einher geht. Dann ändert sich der bisherige Ambientecharakter des Soundtracks. Harte Rhythmen sind zu hören. Die Frau springt mitten auf die Bühne und reckt angriffslustig den Kopf in die Höhe. Mit wild ausschlagenden Bewegungen erobert sie sich ihren Platz unmissverständlich auf der Bühne. Selbstbewusst, selbstermächtigend und stolz blickt sie die Zuschauenden an, reckt ihre Arme in die Höhe, macht sogar ein angedeutetes Victoryzeichen und schreitet mit nackten Oberkörper mitten durch die Zuschauerreihen. So sieht Selbstvertrauen aus. Danach ist auch ihr Tanz mit den Männern ein anderer. Selbstverständlich ist sie nun ein Teil ihrer kraftvollen Performance. Ist der eine Mann schon auf die Schultern des anderen gestiegen, so springt sie mit hinauf. Sie wird zum integralen Teil der Umarmungs-/Kampfperformance der Beiden und schlägt ebenso beherzt auf die nackten Körperteile. Zum Schluss schlüpfen sie alle wieder in ihre Anzüge. Alles scheint wie zuvor, doch die Ausgangslage ist verändert. Die Frau ist augenscheinlich nicht gleich aber absolut gleichwertig. Das ist nun bewiesen.
Birgit Schmalmack vom 25.8.23