Witzfiguren auf Hüpfburg

When There‘s Nothing Left To Burn, DT Foto: Arno Declair



In senfgelber Hippstermütze zu türkisem Lidstrich und pinken Fingernägeln ist Petra (Katrin Wichmann) unterwegs. In ihrem Lieblingseinkaufszentrum. „Doch rein aus beruflichen Gründen“, wie sie schnell betont. Schließlich ist sie als Influencerin tätig. Ob sie wirklich damit Erfolg hat oder sich ihn nur erträumt, bleibt die ganze Zeit unklar. Ob ihre Empfehlungen für bestimmte Pizzaläden, ob für gewisse Eissorten oder den neusten Bubble-Tea irgendjemanden interessieren, wird nie thematisiert. Mit ihrem neusten Unterfangen hat sie aber definitiv keine Resonanz. 35 Follower folgen ihr zurzeit. 30 Klicks gehen dabei auf ihr eigenes Konto, gibt sie zu. Denn im Moment schwingt sie sich zur investigativen Journalistin auf. Als sie von einem Freund (Manolo Breitling) erfährt, dass sein Bruder sich in „ihrem“ Einkaufszentrum selbst verbrannt hat, fasst sie spontan den Entschluss in ihrem Blog den Fall zu beleuchten und die Gründe für die Selbstverbrennung zu klären. Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Ansinnen wird sie spektakulär verfehlen. Alle ihre Gespräche mit dem Bruder, der Mutter, einer Kollegin oder einem Vorgesetzten von Jan L., die sie auf der schwazren Hüpfburg führt, ergeben keinerlei Anhaltspunkte, die über die schon am Anfang bekannten Fakten hinausgehen: Jan L. war ein zurückgezogenes Kind, das sich in seinem Zimmer verschrobenen, einsamen Basteleien widmete, der sich als Soldat verpflichtete und nach seinem Afghanistaneinsatz völlig verändert zurückkam. Der Text von Nachwuchsautor Chris Michalski ist witzig, absurd, rätselhaft und voller aktueller Anspielungen und Absurditäten. Er versucht die Vordergründigkeit der Medienwelt mit seiner vorgeblichen Pseudo-Aufklärung auf Youtube mit der Dialogunfähigkeit, Mediengeilheit und Egozentrik der Gesellschaft zu verknüpfen. Leider setzt die Inszenierung von Tom Kühnel zu sehr auf schnell gesetzte Komödienelemente und lässt die Personen so zu Klischeebildern werden, denen jede Fallhöhe abhanden kommt. An den Schauspielern liegt es nicht, sie wären zu wesentlich mehr Doppelbödigkeit in der Lage gewesen. Doch wenn sie immer wieder zum Mikro greifen und sich in inhaltsleeren Schnulzen oder Rappsongs ergehen, erzeugt das leider keine Brüche sondern vergrößert nur den Eindruck der Lächerlichkeit. Konsequent endet der Abend mit einem Lied, von einer Imbissverkäuferin in Ditsch-Uniform (Anja Schneider) an der Gitarre gesungen:“ Sag mir, wo die Blumen sind, sag mir, wo die Soldaten sind.“ Besser kann man den Tonfall des Abends nicht beschreiben. Man hätte es dem Text gegönnt, mit etwas mehr Mut zur Ernsthaftigkeit auf die Bühne gebracht zu werden.

Birgit Schmalmack vom 29.6.21