Ringen um Kommunikation
Johann und Marianne haben ein scheinbar perfektes Leben. Zwei Kinder, eine gesicherte Existenz, zwei anspruchsvolle Berufe, passende Herkunftsfamilien und somit optimal geordnete Strukturen. Genau das, was sie immer haben wollten. Doch dann sagt Marianne: "Das Leben besteht aus lauter kleine Kästchen und jedes ist schon beschriftet." Keine Freiräume bleiben angesichts der ganzen geordneten Sicherheit mehr. Aber Johann will keinen gemeinsamen Urlaub, er will mehr Lust im Alltag. Doch genau die fehlt. Die Idealvorstellung bekommt Risse, durch die die Zweifel hineinsickern. Die Vorwürfe und Gegenvorwürfe, die eigenen Hinterfragungen und die eingeforderten Bekenntnisse nehmen zu. Marianne forderte Wahrheit und Ehrlichkeit, doch Johann macht ihr Komplimente, wie süß sie sei. Marianne redet von Angst ihn zu verlieren, er redet von Sex. Dann taucht plötzlich der Name Paula auf, die 23 jährige Studentin, mit der Johann seit Monaten ein Verhältnis hat. Bis Marianne akzeptiert, dass ihre Ehe gescheitert ist, braucht es etliche Therapeutensitzungen, Die Einsamkeit des Menschen ist absolut, ist Johanns Erkenntnis, als er Marianne nach einem halben Jahr besucht. Wenn du das kapiert hast, bist du weniger enttäuscht. Beim nächsten Treffen hat sie akzeptiert, dass sie das Leben als eine Reihe von Erfahrungen sehen kann. Sie will keinen Perfektionismus mehr. Doch da sucht Johann schon wieder eine Heimat, ein Zuhause, in dem er sich vor dem Leben verkriechen möchte. Zum Schluss sitzen sie zusammen in einem kleinen Outdoorzelt. Sie nehmen sich eine Auszeit von ihren derzeitigen Ehepartnern und haben den Sex miteinander, für den sie in ihrer Ehe keinen Raum fanden. Harald Weiler hat den berühmten Film von Ingmar Bergmann „Szenen einer Ehe“ nach dessen Textvorlage auf die Bühne des Ernst Deutsch Theater gebracht. Das klare Bühnenbild von Peter Schmidt mit den drehbaren Wänden, die immer neue Räume öffnen und verschließen können, bietet den perfekten Rahmen für die gnadenlose Analyse dieser Ehe ohne jede Ablenkungsmöglichkeit. Die beiden Schauspieler zeigen echte Menschen in all ihrer Widersprüchlichkeit, in ihren unerklärlichen Wendungen, in ihren schleichenden Veränderungen, in ihren eruptiven Ausbrüchen und ihren plötzlich hervorbrechenden Emotionen, in ihrer Liebe, in ihrem Hass und in ihrer dennoch bleibenden Verbundenheit. Genau diese Unvernunft ist die Stärke dem Text von Bergmann, die kein Konzept sondern echtes Leben zeigt. Nele Mueller-Steven und Kai Scheve spielen diese Menschen nicht als Denker sondern als Kämpfende, die um die Möglichkeit einer Kommunikation ringen und daran scheitern. Hier bekommt das Wort „Beziehungsarbeit“ konkrete Gesichter. Ein intensives, lebensechtes Theaterstück, das den Besuch auf jeden Fall lohnt, weil es seine Aktualität auch 2017 nicht verloren hat. Birgit Schmalmack vom 191.01.1
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