Das Schlachtfeld der Opfer
Alle Wände sind mit Plastikfolie abgedeckt. Wie nach einem Giftgasangriff abgedichtet wird das Haus, in dem sich die drei Frauen verschanzt haben. Um sie herum tobt ein Krieg, über den sie keine Informationen bekommen. Dafür sorgt die älteste von ihnen: Rina (Anja Topf). Sie hat alle Fernseher und Radiogeräte aus dem Haus verbannt. Die drei Frauen (Solveig Krebs, Özlem Cosen)sind Dienstbotinnen im Haus des Generals. Sie ahnen, dass es draußen für sie keine Überleben und Entkommen geben wird. Sie sind miteinander gefangen. Doch sie brauchen nicht hinaus zu gehen, um das Schlachtfeld zu erleben. Diese Frauen bereiten sich die Hölle direkt in ihrem vermeintlich sicheren Rückzugsort. Sie stechen sich gegenseitig direkt in die Wunden, die die männliche Gewalt ihrem Land geschlagen hat. Die Frauen sind nicht nur Opfer sondern werden zu Täterinnen. Sie können nicht anders als die Gewalt, die ihnen angetan wurde, weiter zu geben. Die vielbeschworene Solidarität, die sie sich eigentlich geben sollten, bleibt eine unerfüllbare Hoffnung. Die täglich, jahrelange Gewalterfahrung hat auch sie geprägt. Sie können nicht anderes als in Feind-Freund-, in Oben-Unten-, In Opfer-Täter-Kategorien zu denken und zu handeln. Nino Haratischwili analysiert in ihrem Stück „Herbst der Untertanen“ beindruckend scharf, beklemmend dicht und anrührend intensiv die Gewalt- und Hassspirale, die der Krieg tief in eine Gesellschaft hineindreht , bis sie in alle Bereiche vorgedrungen ist. Das sprechende Bühnenbild (Julia Bührle-Nowikowa) mit den metallenen Haushaltsgegenständen in dem Folienraum trägt ebenso zu dem beeindruckenden Gesamtergebnis bei wie die drei tollen Schauspielerinnen.
Birgit Schmalmack vom 15.4.14
|
|
|