Spirale des Kreises Die Elbe spielte die Hauptrolle. Schorsch Kamerun und Band hielten sich dezent im Hintergrund. Hinter einem glitzernden Perlenvorhang im Unterdeck blieben sie für die meisten Zuschauer an Bord der MS Hamburg unsichtbar und ließen nur ihre Töne und Stimmen von ihrer Anwesenheit zeugen. „Schauen Sie hinaus!“ lautete damit auch die Aufforderung, die die Band- und Textkapitäne Schorsch Kamerun und sein Mitstreiter Fabian Hinrichs immer wieder an ihre „Mitpassagiere“ richteten. Kamerun wird zum blonden „HANSS“ (Hat alles nicht sollen sein). Angesichts des funkelnden Hafenpanoramas müsse doch jeder betrogen fühlen. Der Wahn der ständigen Optimierung des Mehrwerts ist sein Thema. Er will viel herausfinden auf dieser Fahrt: über das fortwährende Wachstum und die nicht eingehaltenen Versprechen. Die Erfüllung ihres eigenen werden die Beiden ihrem Publikum schuldig bleiben. Ihre Passagiere dürften zwar viel Atmosphäre aber wenig Erkenntnis tanken. Während das Motorschiff den Burchardkai passiert, wird Kamerun immer melancholischer. Er weint um Japan, China, seine Ernährung, Syrien, Tunesien, Persien und um sich selbst. Während Kamerun mit wachstumskritischen Liedgut unterhält, steuert Hinrichs eine „kleine Geschichte“ bei. Er erzählt von der Wiederbegegnung mit einem früheren Freund, der sich wie er selbst etwas verändert hat, nur in eine ganz andere Richtung. Während Hinrichs als freier Künstler in Berlin lebt, ist dieser in eine Reihenhaussiedlung in einem kleinen Vorort von München gezogen, den er deswegen besonders schätzt, weil dort das Bier im „Goldenen Löwen“ äußerst billig ist. Noch vor dem morgendlichen gemeinsamen Frühstück flieht Hinrichs aus dem Gästezimmer des Reihenhauses. Auf der Hafenrundfahrt trifft die imaginierte Provinz einer bayerischen Kleinstadt auf die glitzernde Fassade einer expandierenden Hafenstadt. „Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, was aus Hamburg werden könnte!“, werden die Passagiere aufgefordert. Als das Schiff sich nach der einer einstündigen Rundfahrt wieder den Landungsbrücken nähert, singt die „Hildegard Knef des Punks“ (laut Diedrich Diedrichsen) alias Kamerun noch einmal über die weise Erkenntnis, dass „Unabhängigkeit keine Lösung für moderne Babys“ sei. Und ein letzter Song über die „Spirale des Kreises“, in der sich das Leben, die Wirtschaft und auch Hamburg um sich selber kreist, fasst auch den Tenor des Liederabends von Kamerun und Hinrichs wunderbar zusammen. Birgit Schmalmack vom 9.8.12
|
|
|