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| Kiss & Cry |
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Kiss & Cry, Kampnagel
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Die verschwundenen Lieben
Wo sind sie hin, all die verflossenen Lieben von Gisela? Einsam sitzt sie auf dem Bahnsteig und träumt von ihren Liebhabern. Fünf waren es. Manche Liebesgeschichten dauerten nur 13 Sekunden, wie die erste, die für Gisela die prägendste bleiben sollte. In ihr spielten Hände die wichtigste Rolle, denn nur diese spürte sie, als es im Zug auf einmal dunkel wurde. Nie sollte den Jungen zu diesen Händen wieder sehen. Auch spätere Lieben boten selten die Erfüllung, von der sie träumte. Einige waren eher wie eine Zwiebel, die Gisela zum Weinen brachte, andere waren wie eine Käsereibe, nützlich nur für einen Zweck. Hinabgestürzt in den Schlund des Vergessens sind die Erinnerungen nun im Alter fast verloren. Doch manche lassen sich aus den kleinen Kästchen, in die Giselas Hände sie sorgfältig versteckt haben, wieder hervorholen. Über andere weht der Wüstenwind jedoch immer mehr Sand, bis sie ganz verschwunden sind. Liebevoll und detailreich spüren der Filmregisseur Jacob Van Dormael und die Choreographin und Tänzerin Michèle Anne De Mey dieser Liebes- und Lebensgeschichte nach. De Mey lässt in dieser Produktion nur Hände tanzen. Zusammen mit den Medien Film, Text und Musik werden in aufwändiger Miniaturtechnik live auf der Bühne immer neue Kulissen erschaffen, die Giselas Leben auf die Bühnenleinwand werfen. Wunderbare Bilder, deren Entstehung man auf der Bühne mit verfolgen kann, entführen in die melancholische Gedankenwelt dieser Frau, die derweil als kleine Figur vor dem Bahnhofsgebäude sitzt. Da drehen Züge mit viel Dampf ihre Runden. Da versuchen sich die Hände der Liebenden auf der Lebenschaukel zu berühren. Da tanzen die Hände in der Disko ihre erste erotische Begegnung oder zeigen vergebliche Nähe im Bett zwischen Kopfkissen-Attrappen. Doch die Erinnerungsarbeit der einsamen Gisela wird belohnt: Am Schluss kann sie ihren ersten Liebhaber aus dem Wüstensand der Vergangenheit befreien und ihn in Lebensgröße zu einem engumschlungenen Tanz in die Arme nehmen. Eine faszinierende, verzaubernde Arbeit des belgischen Künstlerpaares, die das Publikum zu stehenden Ovationen bewegte. Birgit Schmalmack vom 24.8.12
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Zur Kritik von
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Life and Times High Fidelity
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