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| Radhouane El Meddeb, Radialsystem |
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Zur Kritik von
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Facing the sea, for tears to turn into laughter
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Ruhige Bewegungsbilder
Ohne die Miene zu verziehen schreiten sie den begrenzten Raum ab. Immer darauf bedacht niemand anderen zu berühren oder in die Quere zu kommen. Der einzige Kontakt der erlaubt ist, ist das Abschätzen durch den intensiven Blick ins Gesicht des Gegenübers. Einsamkeit und Ruhelosigkeit kennzeichnen die Situation. Abwarten und Abchecken ist angesagt. Dann erschallt die Tröte und man hilft sich um besser Ausschau halten zu können. Man setzt sich die Schulter des anderen, man hebt sich hoch, man klettert auf die Hüfte des anderen. Man will über das Meer blicken. Das Mittelmeer, das eventuell eine bessere Zukunft verheißt als im eigenen Land. Das Mittelmeer trennt auch den Choreographen Radhouane el Meddeb von seiner Heimat Tunesien, denn er lebt seit 1996 in Frankreich. Er ist er für dieses Stück in sein ehemaliges Heimatland zurückgekehrt und hat sich der schwierigen Situation als „Desertierter“ gestellt. Mit zehn Tunesiern ist dieses Stück als Auftragwerk für das Festival in Avignon entstanden. Meddeb hat den Wunden der Revolution nachgespürt, der Ungewissheit, der Trauer, der Einsamkeit, der Hoffnungslosigkeit, der Zerrissenheit. Für ein Tanzstück ist ein sehr bewegungsseingeschränktes Stück geworden. Den Tänzern sind nur wenige Gefühls- und Tanzausbrüche gestattet. In Erinnerung an das Bild des brennenden Gemüsehändlers Mohammed Bouazizi wirft ein Tänzer bis zur Erschöpfung seine Arme voller Verzweiflung in die Höhe, dreht sich um sich selbst, bricht zusammen und rafft sich wieder auf. Eine Tänzerin ergreift in einem Akt der mutigen Ausbruchs nach ihrer Freiheit. Sie schüttelt sich ihre hochgebundenen Haare frei und greift sich an die Brüste, klatscht sich auf ihr Hinterteil, schwingt ihre Hüften. Irgendwann fängt einer an sich wie ein Derwisch zu drehen, und die anderen fallen ein. Zum Schluss werden sie alle vorne in einer Reihe stehen und wie zu Beginn ins Publikum schauen. Doch dann lockern sich endlich ihre Mienen auf und während das Licht heruntergedimmt wird, fangen sie erst leise dann immer lauter an zu lachen. Genau so wichtig wie die Tänzer sind ei diesem Stück die Musiker auf der Bühne. Erst die arabischen Lieder des Sängers Mohamed Ali Chebil und das Spiel des 23-jährigen Pianisten Selim Arjoun machen die überaus ruhigen Bewegungsbilder berührend. Diese wunderschöne, melancholische Musik, die die Beiden mit großem Ausdruck, Gefühl und Können interpretieren, gibt dem Abend den emotionalen Tiefgang, der alles zu einem Ganzen fügt. Dennoch ist es einer, der eher verschlossen als einladend wirkt. Auf die Übersetzung der Textpassagen wurde bewusst verzichtet, somit ist das Gefühl des fragenden Nichtverstehens, das sich beim Zuschauer einstellt, wohl gewollt. Birgit Schmalmack vom 23.8.17
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Macbeth, Monbijoutheater Dorothee Munyaneza, HAU 1
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