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Don Juan kommt aus dem Krieg, BE

Zur Kritik von

nachtkritik 
 
 


Don Juan kehrt aus dem Krieg zurück


Dein Ideal ist tot

Der Nebel längst vergangener Zeiten schwallt über die schwarze leere Bühne des Berliner Ensembles. Es ist 1918. Die Frauen wollen den Frieden feiern. Doch dazu fehlen ihnen die Männer. So bleibt ihnen nur das Warten bei Tratsch und Alkohol in ihrer lila Samt-Lounge in vorderen Dreieck der Bühne. Die neuen Tänze der Zwanziger, zu denen ein Live-Orchester in der Loge aufspielt, müssen sie vorerst alleine tanzen. Doch endlich zeigt sich ein Mann. Don Juan ist aus dem Krieg zurückgekehrt. Als müder, kaputter Mann in seinen abgerissenen Kriegsklamotten will er so gar keine Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Frauen abgeben, aber das ist ihnen egal. Hauptsache ein Mann. Wenn er dann auch wie noch ein trauriger Schweiger ist, umso besser! Er braucht nur zu den Frauen zu sagen „Du erinnerst mich an jemanden“ und schon fühlen sie sich als seine ganz persönliche Retterin gemeint.
Don Juan hatte sich eigentlich geschworen, ein besserer Mensch zu werden. Anfangen will er bei seiner früheren Braut, die er vor dem Krieg wegen anderer Liebschaften sitzen gelassen hat. Nun will er sie suchen, doch die Bahnhöfe sind zerbombt, die Züge fahren nicht mehr und so nimmt er aus Mangel an Alternativen sein früheres Leben wieder auf. Die Nutte, die Kunstgewerblerin, die Professorwitwe ebenso wie ihre Töchter. Als letztere aus einer Mischung aus Eifersucht, Angst, Begierde und Rache ihn wegen einer angeblichen Vergewaltigung anzeigt, muss er fliehen. Sein Ziel ist die Adresse seiner Ex-Braut. Doch er findet er nur noch ihr Grab vor. Sein Traumideal ist schon lange tot.
Luc Bondy siedelt das Rückkehrdrama von Ödon van Horvath in einem Zwischenstadium zwischen Traum, Alptraum und Wirklichkeit an. Samuel Finzi spielt den Don Juan als leere Projektionsfläche. Einzig die Illusionen der ausgehungerten Frauen machen ihn für sie erst reizvoll. So wie er auf der Suche nach seinem Ideal seiner großen Liebe ist, so sind sie auf der Suche nach ihrem erlösenden Traumprinzen. Altmeister Bondy kennt seine Theatermittel. Musikalische Untermalungen, flotte Tanzeinlagen im Gegenlicht, Kunstschneegeriesel, Nebelschwaden, zeithistorische Dekorationen, Tumult über die Logen hinweg, sogar eine akrobatische Balkonkletterei des Don Juan – das alles erzeugt gekonnt Atmosphäre. Doch das Stück bleibt eine Abfolge von gut gespielten Szenen, an deren Anfang schon das Ende bekannt ist: Luc Bondy macht mit jedem Auftritt von Don Juan deutlich, dass diesem jede Kraft für seine Läuterung und den Neuanfang fehlt, den er behauptet. Damit wird das Stück weniger zu einem Drama als vielmehr zu einem Stimmungsbild der zwanziger Jahre.
Birgit Schmalmack vom 17.10.14




 

Don Juan im Berliner Ensemble by Ruth Waltz

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