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Zur Kritik von
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Betrunkene, TIG
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Gott spricht durch die Betrunkenen
Gott spricht durch jeden von uns, ganz besonders durch die Betrunkenen. Diese Weisheit erkundet Autor Iwan Wyrypajew in seinem Stück „Betrunkene“. Gemeinsam suchen nach den Perlen in der „Scheiße“ ihres Lebens. Mit zunehmender Alkoholdröhnung erkennen sie die Wahrheit und sagen Sätze wie: „Liebe ist der Sinn“. „Freiheit ist verbindliche Zugehörigkeit“. „Das Ziel mehr zu lieben als nur sich selbst“.
Dann lauschen sie dem Geflüster Gottes in ihren Herzen. Die Melancholie macht sich breit und das Geflüster wird zum Weinen. Der Rest ist dann nur noch Rotz, wenn sie mal wieder zur Seite gehen müssen, um sich in den Eimer zu entleeren. Diese Betrunkenen suchen nach dem Sinn, den sie in der Liebe finden. Der Alkohol macht sie nicht aggressiver sondern liebevoller, klüger und gläubiger, das will uns dieser Autor weiß machen. Oder auch nicht?
Höchst artifiziell hat Alexander Simon diese weisen Betrunkenen auf der leeren schwarzglänzenden Bühne im thalia in der Gaußstraße in Szene gesetzt. Mit Zirkuskostümen versuchen sie zu glänzen in ihrem Leben. Denn sie lügen alle ständig, nur um den anderen perfekt zu erscheinen. Denn Alexander Simon mag dem schönen Spiel nicht trauen. Alle Rollen unterliegen einer ständigen Ironisierung ihres Spiels. Dass sie dennoch nicht zu Witzfiguren verkommen, liegt an den Thalia Schauspielern, die es verstehen ihre Traurigkeit und Verzweiflung mit anklingen lassen. So spürt man bei der Prostituierten (Sven Schelker) den verzweifelten Wunsch ein Engel zu sein, bei der Ehefrau (Oda Thormeyer) die Panik von ihrem Ehemann (Matthias Leja) aussortiert zu werden, bei der Verlobten (Catherine Seifert) den Wunsch jeder gewünschten Stromlinienform entsprechen zu können, bei ihrem Verlobten (Thomas Niehaus) die Sehnsucht nach bedingungslosen Liebe und bei dem Banker (Rafael Stachowiak) den Ehrgeiz in sich mehr zu finden als die sinnlose Leere und beim Filmfestivalleiter (André Szymanski) die Gier nach Anerkennung und die Angst vor der Auslöschung durch den Tod. Nicht in der Melancholie kleben bleiben und keinen Schiss haben, ehrlich sein eigenes Leben zu führen. Das ist die Botschaft dieser Betrunkenen. Sie dürfen das, sie haben Narrenfreiheit. Vielleicht ist so viel Weisheit und Lebensklugheit nüchtern gar nicht zu ertragen. So erklärt sich Simons Interpretation auf Speed, die so geschickt einem möglichen Pathos entgeht, sich aber auch vor einer ernsthaften Auseinandersetzung drückt. Birgit Svchmalmack vom 12.6.14
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Paradise lost
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