Überreich
Torsten Diehl hat sich an Großes und Große gewagt: Der gebrochene Held Herakles ist das Thema seines neuesten Theaterprojektes „12“. Er benutzt nicht nur die Texte von Aischylos, Sophokles und Euripides dafür, sondern zieht auch Parallelen zur heutigen Medienwelt und zur Geschichte der RAF. Auch hier gab es schließlich „Helden“, die Schuld auf sich geladen hatten. Herausgekommen ist ein überbordendes Ideen- und Szenenfeuerwerk, das im Monsuntheater in 190 Spielminuten auf der kleinen leeren Bühne abgebrannt wird. Gott Zeus ist ein dunkelhäutiger Testosteron geschwellter Popstar, immer auf der Suche nach einem guten Spruch, seiner E-Gitarre und einer noch zu beglückenden Frau. Als sein Sohn Herakles ihn mit noch mehr Muskelmasse und Größe auszustechen droht, scheint er fast froh zu sein, dass dieser einen Mord begeht und mit Hilfe eines zwölfjährigen Frohndienstes als Konkurrent ausgeschaltet wird. Dieser starke Held Herakles ist eine gespaltene Persönlichkeit, ein weißer und ein schwarzer Darsteller stehen in einfacher Symbolik für Seele und Körper. Herakles besteht zwar mit seinen Wunderkräften alle ihm gestellten 12 Aufgaben, muss aber einsehen, dass dies die Spaltung seiner Persönlichkeit nicht zu heilen vermag. Er findet Unterschlupf in einem Geister-Hotel, in dem er auf all die wahnsinnigen Untoten aus den griechischen Sagen trifft, die wie er unter dem Trauma ihrer Geschichte leiden. Diehl kennt seine Griechen, „12“ sprüht über vor Referenzen an die Originaltexte. Die 12 Aufgaben, die Herakles für seine Strafe absolvieren muss, werden mal eben im Rahmen einer „Wetten-Dass-Show“ von Markus Lanz und Thomas Gottschalk-Karikaturen präsentiert. Auch wer nicht alles entschlüsseln konnte, konnte sich an der vordergründig unterhaltsamen Oberfläche erfreuen. Diehl schont seine Zuschauer aber nicht: Nicht nur ein Wahnsinnsmonolog wird ihnen beim Rundgang durch die Zimmer des Geister-Hotel zugemutet. Die vielen tollen Darsteller schaffen es, ihren unterschiedlichen Charakteren nachdrücklich Ausdruck zu verleihen. Diehl greift immer wieder zu flächendeckender Videoästhetik, die auf alle verfügbaren Bühnenwände projiziert wird. Meistens verdoppeln sie nur die Personen auf der Bühne. Oft wird das Mikro als Verstärker eingesetzt. Diehl versucht so, immer wieder mit gezielten zusätzlichen Mitteln die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu erhaschen. Doch entspannende Phasen und ruhige Momente wären da noch effektiver gewesen. Doch dies war beileibe kein „Stemann für Arme“ sondern eine an Ideen, Stoff und Bildern überreiche Arbeit, die gleich für mehrere Abende gereicht hätte. Birgit Schmalmack vom 2.9.13
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