Michael Clark Company
Tanzende Elementarteilchen
Wie perfekt funktionierende Lotsenmelder des Tanzes stehen sie da und geben ihre Zeichen per Arm und Bein für ihre Zuschauer. Sie heben ihre Beine, sie schwenken ihre Arme, sie schließen und öffnen die Hand. In ihren Uniformkleidchen schreiten sie ihre vorgeschriebenen Wege sauber ab, Männer wie Frauen. Immer im Takt zu Scritti Politti senden sie Botschaften aus, an alle, die sie sehen und entschlüsseln können.
Nach der kurzen Pause werden sie zu flirrenden Mustern eines konstruktivistischen Bildes. Sie stecken in Ganzkörperanzügen, die sie wie ein lebendes Gemälde in Farbmusterflächen von Malewitsch aussehen lassen. Von hinten werden sie zu schwarzen Figuren, die fast mit dem schwarzen Boden verschmelzen, von vorne zu türkisen und beigen Farbflecken, die sich bewegen. Wie die Konstruktivisten die Bilder auf Flächen herunterbrachen, so nimmt auch Clark die Bewegungen des Ballettrepertoires in seine Einzelbestandteile auseinander. Er seziert und setzt wieder zusammen. Wie kleine, von den Beats aufgeladene Elementarteilchen flitzen die Tänzer zum Schluss über die Bühne.
Im nächsten Part sind die Catsuits rotgolden schimmernd und lassen die Tänzer zu Heldenstandbildern des Tanzes werden. Genau zeichnen sich alle Muskeln durch den glänzenden, das Licht reflektierenden Stoff ab. Wie perfekt arbeitende Roboter spulen sie ihre Bewegungen ab, nie in Kontakt miteinander. Die Beats der Musik von den Sex Pistols geben den Rhythmus vor, aber fast mechanisch arbeiten sie sich durch das Bewegungsvokabular hindurch.
Der letzte Teil wirft sie in die Achtziger. Sie stecken in raffinierten Streifenkostümen, doch die projizierten Musiker von Relaxed Muscle auf der Leinwand erscheinen fast lebendiger als sie. Die Musik ist hochemotional, doch die Tänzer werfen ihre Beine und Arme in die Luft, wie Tanzautomaten immer genau im Takt. Nur ab und zu bricht einer aus dem engen Bewegungskorsett aus und springt plötzlich in die Luft oder macht ein paar unwillkürliche Hüftschwünge. Sein Körper erinnert sich scheinbar spontan daran, wozu Musik eigentlich animieren könnte.
Michael Clark spielt in "Animal/ Vegetable/ Mineral" gekonnt mit dem strengen Bewegungsvokabular des Balletts. Mit der Musik von Ikonen der Rockgeschichte kombiniert er klassischen Tanz in ganz neuer Form. Ein Abend, der das Ballett geschickt in die Popkultur einbettet, in seiner Perfektion eine Sogwirkung entfaltet, nicht mit ironischen Randbemerkungen spart und immer wieder für Überraschungsmomente sorgt.
Birgit Schmalmack vom 17.8.14