Haunted by wars, Kampnagel
Schmerzhaftes Verstummen
Dieser Abend ist keine leichte Kost. Er tut weh. Er erzählt in Düsternis und meist völliger Stille von Kriegen, an denen Europa beteiligt war. Sein Bild für die Zerstörung ist die Vernichtung von Kulturgut. Die Tänze der überfallenen Völker werden vorgeführt und durch die Kriegshandlungen zum Erstarren gebracht. Er zeigt die Abfolge der Kriege wie einen reißenden Fluss, der erbarmungslos ein Volk nach dem anderen in den Abgrund zieht. Eins nach dem anderen verstummt, liegt am Boden, hört auf zu tanzen. Die Opfer werden in den Mittelpunkt gerückt. Ohne Gegenwehr, ohne Kampfesgetöse, in aller Heimlichkeit und Stille, weit entfernt von der Kenntnisnahme der Täter wird hier das Zerstörungswerk an den Zivilisten vollzogen.
Die Choreographin Eszter Salamon wollte ein großes Projekt auf die Beine stellen. Akribisch hat sie die Kriege des letzten Jahrhunderts und die Tänze der betroffenen Völker recherchiert und in ihre Arbeit aufgenommen. Die sechs Performer verausgaben sich zweieinhalb Stunden ohne Pause auf der Bühne. Sie trommeln, schlagen, summen, stöhnen, singen und tanzen. In ihren zu Totenmasken verfremdeten Gesichtern ist kein menschliches Antlitz mehr zu erkennen. Ihre schwarz-weiß-gefleckten Catsuits wirken wie von Asche bestäubt. Anhand ihrer Tänze soll nachvollfühlbar werden, welche Gefühle, Bräuche und Kulturen dort dem Kriegstreiben der Europäer zum Opfer fielen, welch ein Reichtum, welche Ideen- und Kulturvielfalt hier zum Verstummen gebracht wurde. Doch dem Abend fehlt leider genau diese Emotionalität, die dem Tanz zu eigen ist und den Zuschauer berühren könnte. Sein pädagogisch moralischer Zeigefinger ist zu offensichtlich. So wurde aus dem spannenden, wichtigen Ansatz ein Abend, der die Zuschauer überfordern musste.
Birgit Schmalmack vom 10.8.14