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| Witches, Kampnagel |
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Witches, Kampnagel
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Heutige Hexenjagden
Eintauchen in die Körper der Performerinnen, Miterleben ihrer Emotionsaufwallungen. "Mit unseren Körpern können wir Täter und Opfer in einem sein. Wir bewegen uns zwischen verschiedenen Körpern hin und her," meint die Choreographin Ursina Tossi. Sie ist in Arbeiten sehr direkt, sie kennt keine Scheu. "Ich zähle bis 10, dann sind wir angekommen in der Zukunft," verrät sie zu Beginn. Am Ende der kleinen Pseudo-Meditationsübung für die Zuschauer eröffnet sie mit immer noch sanfter Stimme: Willkommen in der Zukunft der Neuen Rechten. Minutenlang zieht dann eine Prozession der laut schreienden Klageweiber durch den Raum. Peinlich, nervend, schambehaftet ist diese Eingangsszene. Dann versammeln sich die modernen "Hexen" im Aschekreis unter dem Scheinwerferrund. Sie verfallen in Zuckungen, verkrampfen ihre Extremitäten, machen verschwörerische Gesten, zeigen mit dem Fingern in den Himmel oder auf die anderen. Sie verkörpern die Vorstellungen von Hexen. An anderer Stelle verfallen in ekstatische Bewegungen, sie ergeben sich orgastischen Emotionen, sie lecken sich gegenseitig ab, sie verknäueln sich in zu Frauen-Orgien. "Hast du schon Sex mit dem Teufel gehabt? Glaubst du an Gott? An den Kapitalismus?" fragen die Tänzerinnen die Zuschauer in direkter Ansprache. In einer anderen Szene fliegt die Spucke in die Zuschauerreihen. Kurz vor Ende entledigen sich die Frauen aller schwarzen Kleidungsstücke. Sie machen sich nackt, sie zeigen sich unschuldig und angreifbar. Sie haben keine Verkleidung mehr nötig. Heute brennt das Feuer anderswo. In den brasilianischen Regenwäldern. Als eine Tänzerin auf spanisch von der zunehmenden Gewalt gegen Frauen erzählt, versucht Tossi frei nach den Theorien von Silvia Federici die Herabsetzung der Frau als Voraussetzung der Ausbeutung der Natur und der Menschen durch den Kapitalismus zu verknüpfen. Die Bögen, die Tossi zu Entwicklungen von Turbokapitalismus, Klimakatastrophe und Populismus mit "Witches" schlagen will, sind groß, vielleicht zu groß. Bei ihrer letzten Arbeit über die Wehrwölfin bleib sie ganz bei der Kraft und Potenz der Frauen. Sie ließ dem Zuschauer viel Raum für eigene Fantasien. Bei ihrer Arbeit zu Hexen will sie gleichzeitig auf konkrete gesellschaftliche Entwicklungen verweisen. Doch die Körper dieser selbstbewusste Frauen sprechen eine viel deutlichere Sprache. Sie hätten dieses Überbaus der Thesen gar nicht bedurft. Birgit Schmalmack vom 2.10.19
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Herero_Nama, Kampnagel
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