Textversion
Allee Theater/Theater für Kinder
Alma Hoppe
Altonale
Altonaer Theater
Das Schiff
Die Burg
Die 2te Heimat
Elbarkarden
Elbphilharmonie
Engelsaal
English Theatre
Ernst Deutsch Theater
Fleetstreet
First Stage
Freie Gruppen
Gilla Cremer Unikate
Hamburger Sprechwerk
Hamburgische Staatsoper/Ballett
Hochschule für Musik und Theater
Imperial Theater
Kammerspiele, Logensaal
Kampnagel
Kellertheater
Kulturhaus 73
Lichthof
Monsun Theater
MS Bleichen, MS Stubnitz
MUT-Theater
Neue Flora
Opernloft
Operettenhaus
Ohnsorg Theater
Polittbüro
Schauspielhaus
Schauspielstudio Frese
Schmidt Theater
Schmidts Tivoli
Sommertheater St. Georg
St. Pauli Theater
Stage Theater
Thalia Theater
Theater N.N.
Theater im Hamburger Hafen
Theaterin der Basilika
Theater in der Speicherstadt
Theater in der Marzipanfabrik
Theater Das Zimmer
Theater Zeppelin
University Players
Winterhuder Fährhaus, Theater Kontraste
Berlin-Frühjahr-Special 2017
Berlin-Herbst-Special 2016
Berlin-Frühjahr-Special 2016
1984, EDT

1984, Ernst Deutsch Theater


Der Verlust der Vergangenheit

Dass der Verlust der Vergangenheit auch der der Zukunft bedeutet, wird klar, wenn man Winston Smith zusieht, wie er versucht im Reich vom Big Brother seine Individualität zu behalten. Er geht für ihn nicht nur um die ständige Überwachung, nicht nur um das Gedankenverbot oder die Neuregelung der erlaubten Sprache sondern auch um die Wichtigkeit der Erinnerung, um eine Zukunft zu imaginieren. Nur so kann die Unterscheidung von Fake News und Wahrheit, Lüge und Manipulation funktionieren. Erst die Erfahrung und die Erinnerung daran liefert die Ordnungssysteme, die richtig und falsch unterscheiden lassen.
Diese Erkenntnis vermittelt die Inszenierung des Orwell Klassikers im Ernst Deutsch Theater von Elias Perrig auf eindrückliche Art und Weise.
Regisseur Perrig versucht die Aktualisierung, indem er die Darsteller zwischendurch an die Rampe treten lässt und aus der Sicht von 2017 auf das Stück blicken lässt. Das führte zu Beginn bei einigen Zuschauern für Verwirrung der Zeit- und Erzählebenen, schafft aber einen deutlichen Bezug zu heutigen Verhältnissen. "1984" ist 2017 denkbarer geworden, nicht nur aufgrund der technischen Möglichkeiten sondern auch aufgrund von Demokratieeinbrüchen in einigen westlichen Ländern.
Perrig hat ein stimmiges Ensemble zur Verfügung. Besonders der Hauptdarsteller Alexander Finkenwirth ist grandios. Er spielt den verunsicherten, den nachdenklichen, den gradlinigen Aufbegehrenden, der sich seinen Verstand nicht abtrainieren lassen will, mit unglaublichem Tiefgang. Er verschmilzt in jeder Sekunde mit seiner Rolle.
Die Bühne ist ein graues Drehkarussell für die verschiednen Räume, alle mit Überwachungskameras ausgestattet.
Doch der Stoff ist in dieser Umsetzung, die eine auf einer Romanbearbeitung für das Westend beruht, harter Tobak. Die Folterszenen sparen nicht an Blut spritzender Deutlichkeit. Ob dieses Schockerambiente nötig gewesen ist, ist fraglich. Die Botschaft des Stückes wäre auch ohne klar geworden. So wird für manche vielleicht eher zeitweise der Rückzug in die distanzierte Grusel-Beobachterposition erlaubt.
Doch am Ende steht wieder das Ensemble an der Rampe und macht klar, worum es geht: Wachsam die Anzeichen zu beobachten und an das zu denken, was Winstons Freundin (Luisa Taraz) sagte: "Wir hätten ihnen nicht vertrauen sollen!"

Birgit Schmalmack vom 3.9.17




 

1984 im EDT Foto: Oliver Fantitsch

Doitscha, Polittbüro

Druckbare Version