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| KeinOrt.Finsternis, Lichthof |
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KeinOrt.Finsternis, Lichthof
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Eine andere Art von Tod
Einmal jemandem begegnen, der die eigenen düsteren Gedanken versteht. Das wünschte sich Kleist (Rainer Strecker). Seine Werke fanden kein Gehör, seine Arbeit wurde nicht anerkannt und bei seiner Ehefrau fand er kein Verständnis. Christa Wolf erfüllt ihm diesen Wunsch in ihrer Fantasie. In "KeinOrt.Nirgends" inszeniert sie eine Begegnung mit der ebenfalls glücklos arbeiten Dichterin Günderode (Judith Rosmair), die als allein stehende Frau noch einsamer dasteht. Christa Wolf lässt die beiden Ausgestoßenen mitten in einer munteren Teegesellschaft aufeinander treffen. Immer um die Wahrung des äußeren Anscheins bemüht versuchen die Beiden ihre wirklichen Gedanken zu verbergen und können trotz aller Anstrengung keinen Platz in dieser Gesellschaft für sich finden. Wut, Traurigkeit, Selbstmordgedanken, Aggression und Resignation wechseln sich ab. In dem anderen erkennen sie einen Seeelenverwandten. Doch zu einer tatsächlichen Kommunikation kommt es auch in dieser fantasierten Begegnung nicht. Zu sehr hat sich die Einsamkeit schon in ihre Seelen gefressen. Regisseurin Anne Schneider hat den Text der DDR-Autorin Christa Wolf für ihr zweites Stück ihrer Trilogie über Außenseiter und Ausgestoßene benutzt, um nach "BiestA" über Analphabetismus nun mit "Kein Ort.Finsternis" ein Stück über Depression zu inszenieren. Wieder steht das raumgreifende Gerüst eines in sich verdrehten Lattenrostes auf der Bühne. Auch dieses Mal ist es wieder ein wunderbar eindrückliches Bild für das anstrengende Rumbalancieren auf den spärlichen Halterastern, das vergebliche Suchen nach einem sicheren Untergrund und dem ständig drohenden Absturz in den Abgrund. Kleist und Günderode leiden an der Gesellschaft ihrer Zeit. Ihr Selbstmord ist ein Aufschrei gegen die Ungerechtigkeiten, die ihnen und ihrem Schaffen widerfahren sind. Schneider arrangierte den Abend als Collage. Interviewaussagen mit unter Depression Leidenden wurden als Gewirr der Stimmen im Kopf gezeigt. Zitate aus dem Buch von Tobi Katze "Morgen ist leider auch noch ein Tag", in dem er seine Depression mit viel Selbstironie beschreibt, werden zu Beginn vom Sampler eingespielt. Zudem hat die Choreographin Victoria Hauke mit den zwei Tänzerinnen Swanhild Kruckelmann und Lisa Rykena versucht Bewegungen zu finden, um das Gefangensein in der Bewegungslosigkeit, der Regression und der Antriebslosigkeit auszudrücken. Am besten gelingt das der glatzköpfigen Lisa Rykena, die sich in wilden Verrenkungen um sich selbst windet, aber dennoch nicht von der Stelle kommt. Die Balance zwischen O-Tönen heutiger Betroffener und literarischer Vorlage gelang Schneider in "BiestA" mit spielerisch leichter Hand. Doch der Text von Christa Wolf erweist sich als intellektuell und poetisch so dominierend, dass die anderen Parts der Collage dahinter fast verschwinden. Der fantasierte Dialog zwischen den beiden Dichtern aus dem Mund einer weiteren Dichterin ist so vereinnahmend, dass alle anderen Gedanken und Eindrücke daneben kaum zur Geltung kommen können. So ist es eher ein Abend über das Unbehaustsein dreier Künstlerpersönlichkeiten - Kleist, Günderode und Wolf - geworden als über heutige Formen der Depression. Um inhaltlich noch mehr über die aktuellen Erfahrungen von den Menschen zu erfahren, die an dieser bleischweren Leere leiden, die sich wie zentnerschwere Bettdecken auf das Ich legt und es niederdrückt, hätten wohl auch die anderen Parts der Inszenierung wie die Interviewaussagen der Betroffenen oder Therapeuten und Katzes autobiographische Berichte mehr Raum bekommen müssen. Birgit Schmalmack vom 9.10.16
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Atlas des Kommunismus, MGT
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