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Jetzt bin ich hier, Ballhaus

Zur Kritik von

 
 
 


Jetzt bin ich hier, Ballhaus Naunynstraße





Viel Spaß bei der Selbstermächtigung

Selbstermächtigung durch Selbstbespaßung haben sich die jungen Leute der Akademie der Autodidakten auf der Bühne des Ballhaus Naunynstraße vorgenommen. Beides gelingt ihnen hervorragend, Publikumsbespaßung inklusive.
Im Leben gilt es sich zu entscheiden: Mineralwasser mit oder ohne Kohlensäure? Sex oder Sommer? Pessimist oder Optimist? Die Bühnenklötze, auf die sie sich zur Positionierung setzen sollen, machen die Haltungen aber nur scheinbar eindeutig. So wird schnell eine neue Kategorie erfunden: die der Realisten. Doch nicht nur dort gibt es "die 50 grades of Scheiße" sondern auch die verschiedenen Schattierungen des realistischen Pessimisten oder des pragmatischen Optimisten zu unterscheiden. So versucht man mit Listen Licht ins Dunkeln zu bringen: Zuerst mit einer Liste der Dinge, die alle nicht mögen. Die U8 gehört definitiv dazu, Langsam-Geher, Jobcenter, Nummern Ziehen, Kontrolleure und eben daueroptimistische Leute. Die Liste der geliebten Dinge fällt nicht kürzer aus: Radfahren, Bioobst, Spongebob, Sommer in Berlin und natürlich Kuchen. Eine riesige Filztasche fährt auf die Podeste zu: Kuchen für alle hebt die Gemüter, auch die der Pessimisten.
Doch was bewegt die Leute, die alle voller Inbrunst sagen: Jetzt bin ich hier!"? Der eine sieht sich oft in der Rolle, das Klischee eines asiatisches Mathegenies zu erfüllen, die andere konnte die zunehmende Teilnahme ihrer Mitbewohner an den Pegidademonstrationen nicht mehr ertragen und zog nach Berlin, die nächste fühlt sich so machtlos, wenn sie Bilder aus dem Syrienkrieg sieht, eine weitere wünscht sich mehr internationalen Zusammenhalt gegen den IS, die vorletzte sieht ihr Familiennest in Gefahr, weil sich dort die rechtsradikalen Überzeugungen ausbreiten, und die letzte spürt auch in Berlin immer Orte der Unsicherheit.
Als die Stimmung fast auf dem Boden der pessimistischen Realisten angekommen ist, stimmen sie gemeinsam ein Lied an: "Who made you the centre of it all?" In den zehn jungen Frauen und den zwei jungen Männern erwacht wieder der Kampfesgeist und eine letzte Liste bildet den Abschluss: Was wir fordern!
Der allerletzte Punkt auf der Liste wird prompt erfüllt: Mehr Luftballons! Hunderte regnen zum Schuss aus dem Bühnenhimmel.
Ein sehr unterhaltsamer, authentisch, humorvoll, spritzig vorgetragener und inszenierter Einblick in die Gemütslage junger Leute in Berlin ist unter der Regie von Simone Dede Ayivi entstanden. Weitere Aufführungen werden hoffentlich bald folgen.
Birgit Schmalmack vom 11.4.16



Soulkitchen, Ohnsorg

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