Nächstes Jahr Bornplatzsynagoge, Kammerspiele
Nächstes Jahr Bornplatzsynagoge, Kammerspiele
Foto: Bo Lahola
Ein Zeichen für Versöhnung
Dieses Stück soll ein Zeichen setzen, für Verständigung, für Versöhnung, für Gerechtigkeit und für ein Miteinander. Doch erst einmal ist die Bühne leer. Nur drei durchsichtige Vorhänge sind zu sehen. Denn um diese Leere, die auch auf dem Platz herrscht, auf dem vor 1938 die Bornplatzsynagoge stand, kreist das Stück von Axel Schneider. Er hat es in den Kammerspielen, die nur ein paar hundert Meter von dem Platz entfernt liegen, nicht nur inszeniert, sondern auch geschrieben.
Es kreist um die jüdische Familie Stein (später Steiner). Die Eltern schicken ihren Sohn nach Palästina, als das noch möglich war. Sie selbst werden wenig später nach Riga abtransportiert. Nach dem Krieg will der Sohn nach Amerika auswandern. Auf seinem Weg dorthin macht er Station in Hamburg. Er will nach den Spuren seiner Eltern suchen. Dort trifft er auf Lea, verliebt sich und gründet in Hamburg eine Familie. Als er stirbt, übernimmt sein Sohn Len seinen unvollendeten Einsatz für einen sichtbaren Neuanfang in Deutschland. Er will, dass die Bornplatzsynagoge wieder aufgebaut wird. Bisher hatte die Stadt Hamburg der jüdischen Gemeinde nur einen Ort in der Hohen Weide zugewiesen, wo eine Synagoge nun unter Polizeischutz Platz für ca. 400 statt der früheren 1200 Menschen bietet.
In kurzen Szenen, die durch Blacks und Geigenmusik voneinander getrennt werden, wird der Weg der Familie nachgezeichnet. Schneider liefert dabei Einblicke in deutsche Amtsstuben, die auch nach dem Krieg immer noch stark von antisemitischem Denken geprägt sind. Da ist man froh, dass die Juden nun in Israel sind, und glaubt seine Schuld getilgt, weil Deutschland für den dortigen Aufbau bezahlt. Schneider beleuchtet aber auch die Streitigkeiten in der Jüdischen Gemeinde, die zwischen Hass, Revanche und Versöhnung hin- und hergerissen ist.
Die Schauspielenden geben sich große Mühe, das inhaltsschwere Stück mit Leben zu füllen. Sie hauchen ihren Figuren so weit möglich Leben ein, besonders Johan Richter gelingt dies mit seinem emotionsgeladenen Spiel der Söhne.
Doch dem Stück ist leider der Informationswillen und der aufklärerische Impetus von der ersten Minute so sehr anzumerken, dass sich kein echtes Einfühlen einstellen mag. Die Inszenierung kommt zu konventionell, pädagogisch und vorhersehbar daher, um wirklich gefangen zu nehmen. Die Personen müssen sich der historischen Chronologie unterordnen. Sie werden so eher zu Stellvertretern eines geschichtlichen Abrisses. Dennoch: Diese Vergangenheit, die keinesfalls aufgearbeitet ist, darf nicht vergessen werden, so dass - gerade heute - dieses Erinnern an die Leerstellen immer wieder nötig ist. Daher ist der Abend ohne Zweifel ein Zeichen für Versöhnung, das dringend gebraucht wird. Man hätte sich aber gewünscht, dass es noch etwas lebenspraller geworden wäre.
Birgit Schmalmack vom 23.10.25
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