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Wählt das Paradies

Wer würde nicht gerne das Paradies wählen? Wenn es nun eine Partei mit diesem Namen gäbe, die ihren Wählern den ungehinderten Zugang zu dem Garten aller ihrer Sehnsüchte versprechen würde? Müsste sie nicht die meisten Stimmen auf sich vereinigen können? Die Zuschauer im Opernstudio Opera Stabile können erstmalig Teil dieses Experiments werden. Sie erleben die Parteiwerbung, den Wahlabend und die Enttäuschungen, Enthüllungen und Verwerfungen bei der Umsetzung des Wahlprogramms live mit.
Gott schickte sieben abtrünnige Engel auf die Erde, sie hatten in seinem Reich versagt, nun sollten sie zur Strafe auf der Erde ihr Dasein fristen. Doch die sieben wollen aus der Not eine Tugend wagen und etwas ganz Neues erschaffen. Sie wollen das Paradies auf Erden entstehen lassen. Das ist zumindest am Beginn ihr gemeinsames Ziel.
Sieben Profipolitiker haben sich um das Piano in der Mitte mit ihren Papier unter den Bildschirmen mit den Wahlprognosen und Hochrechnungen aufgestellt. Sie proben ihre Stellungnahmen, sprechen letzte Punkte ab, korrigieren Kleinigkeiten in ihren Manuskripten. Noch bilden sie ein Team, jeder von ihnen steuert abwechselnd ein Wort zu ihren gemeinsamen Statements bei. Ein Wohlklang entsteht, der Vertrauen bei den Wählern erzeugen soll. Doch bald mischen sich Misstöne in die Zusammenarbeit. Zwei ziehen sich in ihr umzäuntes Separee zurück, gönnen sich das erste alkoholische Getränk, schmieden Pläne im Geheimen und schließen die anderen aus. Das Separee hat sogar eine Empore, zu der ein Fahrstuhl auf die höchste Ebene führt. Ein idealer Ort, um Reden zu schwingen, Kommandos zu geben und sich als Führer zu präsentieren.
Zwietracht ist gesät, der Ausschluss und Degradierung einzelner Andersdenkender wird gezielt vorbereitet. Bald vergnügen sich fünf der Politiker in ihrem selbst geschaffenen Luxus und zwei Andersdenkenden wird der Zutritt verweigert. Um Politik für die Massen geht es dieser Machtelite schon lange nicht mehr. Sie ist viel zu sehr mit sich beschäftigt, mit der Befriedigung ihrer spontanen Gelüste. Man geht sich an die Wäsche und leert die zahlreichen Flaschen. Doch irgendwann heißt es der Wahrheit ins Auge blicken: Die Zustimmung der Wähler ist rapide gesunken. Falls es wieder Hoffnung für die Erreichung der einstmaligen Ziele geben sollte, muss das Volk wieder in den Blick genommen werden. Und sei es auch nur, um ihm einen Paradeiser (einen Paradiesapfel, sprich eine Tomate) zu schenken.
So symbolkräftig endet die Inszenierung der Oper von Luke Bedford durch Heiko Hentschel. Er hat die übersinnliche Handlung in den ganz konkreten Politikeralltag heruntergebrochen. Das macht sie sehr greifbar und raubt ihr dennoch nichts von ihren Denkanstößen, die im Libretto von Glyn Maxwell jedoch sehr im Lyrischen verhaftet blieben. Durch die ständige geschickte Einbeziehung des Publikums im intimen Rahmen der Opera Stabile kommt keine Langeweile auf. Die wunderschönen Stimmen der jungen Sänger und Sängerinnen schweben klar über den offenen flirrenden Klangflächen des Kammerensembles der Philharmoniker unter der Leitung von Alexander Winterson.
Birgit Schmalmack vom 1.7.13



I don’t believe in outer space
Kaltstart-Festival

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