Hamlet, Lichthof
Alles in seinem Kopf
Hamlet ist auf den Dachboden geflohen. Schnell schließt er die Bodenluke, um so dem Lärm der Hochzeitsfeier zu entkommen, der ihn so peinigt. Vor gerade einmal einem Monat ist sein Vater, der König, gestorben und schon hat seine Mutter seinen Onkel als Nachfolger in ihr Bett und auf den Thron gelassen. Hamlet hadert mit seiner Mutter, seinem neuen „Vater“, mit sich und seinen widerstreitenden Gefühlen. Er ist unfähig seine angebetete Ophelia so zu lieben, wie sie es verdient, und muss sich den Fragen und Vorwürfen ihrer Familie stellen.
Doch dieser Hamlet, der sich hier auf seinen Dachboden zurückgezogen hat, braucht keine leibhaftigen Gegenspieler mehr. Er spielt all seine Zweifel, seine Wut, seine Rachegelüste, seine unterdrückten Sehnsüchte und seine Hassgefühle immer und immer wieder in seinem Kopf durch. So ist es sinnig, dass ihm nicht nur der Geist seines Vaters erscheint, sondern auch seine übrigen Gesprächspartner von ihm selbst erschaffene und gespielte Puppen sind.
Der Puppenspieler Marc Schnittger hat die lebensgroßen Puppen aus Leder und Stoff gefertigt und erweckt sie auf der schrägen Bretterbühne zum Leben. Er steckt seinem Arm in ihren Rumpf und lässt sie atmen. So bekommt er lebendige Gegenüber von markanter Persönlichkeit, mit er seine inneren und äußeren Konflikte austragen kann.
Schnittger zeigte während eines Gastspiels im Lichthof sein preisgekröntes Puppenstück und begeisterte das Publikum mit seiner Vielseitigkeit, mit der in alle Rollen schlüpft. Ein Hamlet der besonderen Art, der dessen Verzweiflung an der Gesellschaft eindrucksvoll deutlich machte. Die grotesken Elemente, die für Schnittger, wie er im Publikumsgespräch erklärte, gerade die Besonderheit des Puppenspiels ausmachten, blieben bei diesem Stück zwar gering, aber die handwerkliche Kunst beeindruckte dennoch.
Birgit Schmalmack vom 11.11.14