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Plusminus 100 Jahre, Lichthof

Plusminus im Lichthof Foto (c) Claudius Strack


Noch lange nicht genug

Eine Feminismusdebatte als Theaterstück. Ist das nicht ein wenig neunziger Jahre? Nina Mattenklotz wagt es trotzdem. Sie macht in „Plusminus 100 Jahre“ die Rechnung des Feminismus auf: Plus und Minus wird ermittelt. Was wurde als Problem erkannt? Was wurde gewonnen? Was wieder verloren?
Wenn die drei Generationen (Sarah Masuch, Iris Minrich, Susanne Pollmeier)von ihrem Verständnis der Frauenrolle erzählen, werden Entwicklungen deutlich. Die Generation, die noch ganz der traditionellen Rollenaufteilung verhaftet war, die Generation, die aufbegehrte und feminismusbewegt für die Gleichberechtigung kämpfte und die Generation, die sich von diesem Kampf um jeden Preis abwendet und wieder Kompromisse einzugehen bereit ist, um die Familie zu erhalten.
Nach den Kindern und der Müttern kommt das „Ich“ zu Wort, das freimütig über die eigene Sexualität nachsinnt, die eigenen Ansprüche an sich analysiert und die Erwartungen der Gesellschaft reflektiert und hinterfragt. Eine Supermutter, perfekte Managerin des Haushalts, engagierte Karrierefrau und attraktive Geliebte für den Ehemann soll sie sein, am besten alles gleichzeitig - das sind die Erwartungen an die moderne Frau, die meist an der Realität zerschellen. Dem Mann wird dann erlaubt, sich mit dem Argument des höheren Verdiensts ganz auf den Beruf zu fokussieren, während der Frau der übrig gebliebene, weniger prestigeträchtige und weniger einträgliche Rest zufällt.
Die eingestreuten Songs laden zum Wegträumen, Tanzen und Aufbegehren ein. Dazu lassen die drei Frauen ihre Problemzonen und einen Babybauch im Salsa-Rhythmus hüpfen, rocken zu „Wenn ich ein Junge wär“ ab und feiern sich gegenseitig mit Konfetti-Regen. Man wagt gemeinsam mit dem Mann am Harmonium (Tobias Gronau) von einer besseren Welt zu träumen und gerät dabei immer mehr in Wut. Jedes „Ich denke mit, dass....“ führt nur umso offensichtlicher vor, wie weit die Gegenwart von dieser Idealvorstellung entfernt ist, die eigentlich nur Selbstverständlichkeiten imaginiert. „Wir haben genug von schlank, von schön, von Supermamas“,... rufen sie zum Schluss. „Doch wir haben noch lange nicht genug!“ Jubelnder Applaus am Freitag im Lichthof war die Antwort des Premierenpublikums. Der Funke war übergesprungen, nicht zuletzt dank der Energie, Persönlichkeit und Authentizität der drei tollen Darstellerinnen.
Birgit Schmalmack vom 20.9.14