Muttersprache Marmeloschn
Mischpoke
„Jiddisch für zusammengerotteter Haufen, der Probleme aus sich selbst heraus produziert und das als Lebensgrundlage braucht. Auch bekannt als FAMILIE“, so erklärt Rahel (Julia Goldberg) ihrer Mutter das Wort Mischpoke, meint aber eigentlich ihre Beziehung zu ihrer Familie. Ihr Bruder ist schon geflohen aus der engen Umklammerung der familiären Bande. Ausgerechnet nach Israel in einen Kibbuz. Rahel plant nun auch die Auswanderung. Sie will nach New York. Ihre Oma ersinnt sofort neidvoll eine spannende Zukunft für ihre Tochter. Die große jüdische Community in New York soll möglich machen, was ihr verwehrt blieb.
Oma (Grischa Huber) war überzeugte Kommunistin, die nach dem Krieg mit voller Ideale in die DDR eingewandert ist und in der SED mitgekämpft hat. Wer in einem Land voller Widerstandskämpfer lebt, braucht sich nicht mit der geschichtlichen Vergangenheit des Nazis-Deutschland auseinander zu setzen, so glaubte sie. Bis auch sie und ihre Familie den Anti-Semitismus in der Einparteiendiktatur zu spüren bekam. Ihre Tochter (Miriam Fiordeponti) konnte mit der selbstgerechten Idealismus ihrer Mutter nichts anfangen, verschwand ins lebenslustige Paris um zu „studieren“ und kam schwanger zurück. Die Enkelin überlegt nun, wo sie hingehören könnte.
Marianne Salzmann hat ein hochverdichtetes Dialogstück über die inneren Zwangsläufigkeiten, die verwickelten Abhängigkeiten und schwierigen Abnabelungsprozesse, die Verletzungen und die Verstrickungen innerhalb der Familie geschrieben. Da sie es in einer deutsch-jüdischen Familie zwischen den Religionen, Kulturen, Ländern und Sprachen ansiedelt, wird die Identitätssuche weiter aufgeladen. Die Auseinandersetzungen zwischen den drei Frauengenerationen werden auf Augenhöhe und in aller Offenheit ausgetragen. Die Wortgefechte, die die Drei sich liefern, zielen und treffen genau, denn sie kennen sich gut.
Regisseurin Maryn Stucken hat im Lichthof eine wunderbar konzentrierte, fein gearbeitete, psychologisch genaue Inszenierung des zu Recht prämierten Textes gezeigt. Eine sehenswerte Aufführung.
Birgit Schmalmack vom 22.3.14